Autor: Dr. med. John van Limburg Stirum
177 S., 50 Abb., 17 Tab., geb.
Georg Thieme Verlagsgruppe
Hippokrates Verlag , 2008
Diese Auflage ist vergriffen.
Dieser Lehrgang ist die neue, korrigierte und deutlich erweiterte Fassung.
Ziel der modernen Säure-Basen-Medizin ist, den Säure-Basen-Haushalt individuell und differenziert zu betrachten. Vor allem bei chronischen Erkrankungen muss sowohl die Azidose wie auch die Alkalose gezielt behandelt werden. Der Autor zeigt mit einer völligen neuartigen biochemischen Betrachtungsweise und Verständnismodell umfassend die unterschiedlichen (patho-)physiologischen und klinischen Facetten. Praktische Messmethoden sowie detaillierte therapeutische Konzepte, seien diese nutriologisch, verhaltens- und bewegungsorientiert oder parenteral, werden konkret dargelegt. Jede naturwissenschaftliche medizinische Praxis wird von diesem biochemisch fundierten Praxishandbuch profitieren.
Wussten Sie, dass chronische Krankheiten nicht nur mit Azidosen, sondern auch mit Alkalosen einhergehen? Wie können Sie pathologische Entgleisungen des Säure-Basen-Haushalts erkennen und behandeln? Dieses Buch liefert Ihnen aktuelles und wissenschaftlich fundiertes Wissen zur Säure-Basen-Medizin: Neue (patho-)physiologische Erkenntnisse vertiefen Ihr Verständnis der Wirkmechanismen. Die Analytik ist praxisnah dargestellt und hilft Ihnen, selbst latente Dysbalancen im Säure-Basen-Haushalt zu erfassen. Im Praxisteil erhalten Sie umfassende Therapiekonzepte für bewährte Indikationen. Infusionsbehandlungen und Basenpräparate kommen differenziert zum Einsatz, in Kombination mit Therapien wie z. B. Bewegung, Ernährung und Mikronährstoffe. Zahlreiche Tipps erleichtern Ihnen die Anwendung in der eigenen Praxis. Ein langfristig ausgewogener Säure- Basen-Haushalt ist gerade bei chronischen Erkrankungen das Ziel der modernen Säure-Basen-Medizin. Ihr Ansatz: ein Therapiekonzept, das neben den Basenpräparaten naturheilkundliche Verfahren, wie z.B. Orthomolekulare Medizin, Bewegung oder Ernährung, miteinander kombiniert und sich dennoch problemlos auch in eine eher schulmedizinisch ausgerichtete Therapie integrieren lässt. Dieses Buch liefert Ihnen aktuelle, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu diesem Behandlungsansatz. Durch die detaillierte Darstellung neuer (patho- )physiologischer Erkenntnisse erhalten Sie ein vertieftes Verständnis der Wirkmechanismen. Daneben lernen Sie moderne Messverfahren kennen und bekommen Tipps zur Durchführung in der eigenen Praxis. Mit zahlreichen >konkreten Therapiestrategien.
Dieses Buch und nun dieser Lehrgang ist meiner Familie gewidmet, die mich stets mit Ratschlägen und Korrekturlesen in jeder Hinsicht unterstützt hat. Zudem hat sie sich nie beklagt, dass ich so selten im Kreise meiner Liebsten zugegen war.
Mein verbindlicher Dank gilt auch Herrn Dr. med. Michael Worlitschek (†), der mir in seinen Seminaren als erster die enorme Bedeutung des Säure-Basen-Haushalts nahe gelegt hat und den zündenden Begeisterungsfunken dieser Sparte der Medizin an mich übertrug.
Ebenfalls bedanke ich mich bei meinem gesamten Praxisteam, vor allem Therese Bettschen, die sich für die praktische Weiterentwicklung der Messung enorm eingesetzt hat, sich für Kontrollmessungen immer bereitwillig gegenseitig Blutproben entnommen hat und sogar vor arteriellen Blutentnahmen bei sich selber nicht zurückgeschreckt ist.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Herstellern der von uns eingesetzten pH-Messgeräte. Im Rahmen der Entwicklung der manuellen Titration war dies die Firma Mettler Toledo [116] und für die automatische Titration die Firma Metrohm [117].
Es gibt kaum ein Gebiet in der ärztlichen Heilkunde, in dem die Bedeutung und die tatsächliche Umsetzung in der Praxis derart weit voneinander entfernt sind wie beim Säure-Basen-Haushalt (SBH). Zwar wird sie in der Schulmedizin (am Rande) gelehrt, findet aber ausschließlich im Krankenhaus auf der Intensivpflegestation, in der Anästhesie (Hypothermie) und bei der Dialyse Beachtung. Ist der Patient erst auf die Bettenstation verlegt oder gar in der ambulanten Praxis in Behandlung, wird kaum noch darüber gesprochen. Doch bei naturheilkundlichen Ärzten und Therapeuten, aber auch bei Laien ist just das Gegenteil anzutreffen: Viele unserer Beschwerden sollen auf eine Übersäuerung zurückgeführt werden, die einer entsprechenden Entsäuerung bedarf. In diesem Szenario drängt sich unweigerlich die Frage auf: „Ist die Schulmedizin zutiefst nachlässig oder übertreiben es die Naturheilkundler?“ Um die Antwort vorweg zu nehmen: Beides trifft zu.
In der Tat kann der Organismus erstaunlich gut mit Veränderungen von Säurekonzentrationen umgehen und ist in der Lage, den physiologischen pH-Wert über lange Zeiten konstant zu halten. Diese Tatsache hat bisher den Fokus der Ärzteschaft auf diesem Gebiet weitgehend verhindert.
Eine weitere Fehleinschätzung beruht auf umgangssprachlichen Gepflogenheiten. Der Begriff der Säuren ist im Volksmund allgemein gebräuchlich:
Dadurch wird indirekt impliziert, wie Säure für uns schädlich ist, und folglich die Entsäuerung unser Behandlungsziel sein müsste.
Es erstaunt deshalb nicht, dass wir zunehmend Laienpublikationen zu diesem Thema der Übersäuerung antreffen. Ganze Heftausgaben werden dem Thema stets mit der gleichen Botschaft gewidmet: „Kampf der Übersäuerung“ oder „Wie ernähre ich mich basisch?“.
Seltsamerweise ist mir nie ein Artikel über das Entgegengesetzte, nämlich der Alkalose, begegnet. Dabei müsste sie einen ebenso wichtigen Stellenwert in der Säurebasenpathophysiologie einnehmen. Bestätigt wird dies z.B. durch die Auswertung von 1.000 Säure-Basen-Messungen an Patienten: Übersäuert waren 12 %, aber gar 15 % waren zu basisch! Ausschließlich die Übersäuerung zu verurteilen ist schlicht falsch, und wie wir im Laufe dieses Buches sehen werden spielt sich das Leben sogar in einer physiologischen Azidose ab.
Im Jahre 2004 ist der Pfizer-Preis u.a. an den Wissenschaftler Carsten Wagner [119] verliehen worden. Seine Forschung galt den nicht genomischen Einflüsse des Aldosterons auf die Regulation des Säure-Basen-Haushalts in den Nieren. In einem Zeitungsinterview antwortete er auf die Frage, was denn passiere bei einer Übersäuerung: "Man fühlt sich schlapp, unwohl. Es können Krankheiten wie Nierenkoliken, Knochenschwund, Wachstumsverlangsamung auftreten. Aber auch Bewusstseins- und Herzrhythmusstörungen, die lebensgefährlich sein können." Solche Publikationen tragen verständlicherweise zum Säurebasen-Interesse der Bevölkerung. Und die Ärzteschaft? Beim Hausarzt findet man bislang kein Gehör. Vielleicht liegt es einerseits an der fehlenden Kompetenz und andererseits daran, dass keine standardisierte einfache Messmethode für die Praxis zur Verfügung steht.
Aufgabe dieses Buches ist es, dem Arzt und anderen interessierten Fachkreisen neue Impulse zu liefern und dabei ein solides wissenschaftliches, aber auch kritisches Fundament zu verschaffen, einerseits zum Verständnis und andererseits für die erfolgreiche Anwendung in der Praxis. Diese medizinische Sparte eröffnet völlig neue therapeutische Ansätze und bereichert die eigene klinische Tätigkeit auf eindrückliche Weise. Gleichzeitig werden verschiedene Missverständnisse, die das Begreifen des Säure-Basen-Haushalts erschweren (oder gar verunmöglichen!), ausgeräumt und neue Konzepte, die die Säure-Basen-Medizin beträchtlich erweitern, vorgestellt.
Wichtige und allgemeine Erkenntnisse über den Säure-Basen-Haushalt sind nicht Produkt der aktuellen Forschung. In den letzten Jahren veröffentlichte wissenschaftliche Artikel tauchen immer weiter in Detail-Fragen hinab. Zwar sind diese zweifelsfrei unerlässlich, um klar definierte Prozesse besser zu verstehen, doch sie sind nicht geeignet, Zusammenhänge innerhalb des vernetzten Gebiets des Säure-Basen-Haushalts hervorzubringen. Es ist eigentlich bedauernswert, dass nicht vermehrt vergangene wissenschaftliche Einsichten in die moderne Medizin Eingang finden, geht auf diese Weise viel altes Wissen und vor allem Verständnis verloren.
Der Säure-Basen-Haushalt (SBH) gehört zu den bedeutsamsten übergeordneten biologischen Systemen. Fast alle biochemischen Subsysteme kreuzen sich mit dem SBH und die meisten Reaktionen im Organismus beinhalten die Aufnahme oder Abgabe eines Säureäquivalents. Dieses „nackte“ Proton wird in seiner hydratisierten Form als Hydroniumion bezeichnet. Hier muss das physiologische Ungleichgewicht für den geregelten chemischen Ablauf aufrecht erhalten bleiben, wobei eine Tendenz zur Milieuansäuerung besteht. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen würde der Stoffwechsel in Kürze dekompensieren.
Eine wichtige Stellgrössegröße des Säurebasen-Milieus ist der pH-Wert. Dieser ist unterschiedlich in den verschiedenen Organkompartimenten wie
Dabei nimmt die Säureaktivität generell von außen nach innen bzw. vom Extra- zum Intrazellulärraum zu und beeinflusst massgeblich unter anderem die
Und wie wir später sehen werden ist dieser Gradient entscheidend für die Gesundheit. Ist er abgeflacht oder gar invertiert können Krankheiten entstehen und sich ausbreiten.
Deshalb hat sich der Organismus mit raffinierten Puffer-Systemen ausgerüstet, um für eine geeignete Homöostase zu sorgen, sie dies durch die Atmung, bei der Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Sport oder Schlaf.
Es ist ein glücklicher Umstand, dass die physiologische Säurekonzentration sich in der Nähe des neutralen pH-Werts des Wassers bewegt. Damit benötigt das Gleichgewicht nur einen minimalen Erhaltungsaufwand. Andererseits dürften in diesem Gleichgewicht bei chemisch betrachtet sehr tiefen Temperaturen und niedrigen Substratkonzentrationen chemische Reaktionen gar nicht ablaufen. Das sie es trotzdem tun, ist energieliefernden Prozessen sowie katalytisch aktiven Enzymen zu verdanken. Und diese stehen wiederum in steuernder Wechselwirkung mit dem Säure-Basen-Haushalt.
Die Chemie von Säuren und Basen kann auf die Forschung und Erfahrung von Jahrhunderten zurückblicken. Bereits viele namhafte Wissenschaftler und Nobelpreisträger legten Meilensteine zum Verständnis. Hier soll eine Auswahl einiger der wichtigsten Ereignisse präsentiert werden.
Benjamin Franklin wurde durch sein berühmtes Experiment bekannt, bei dem er einen Drachen in einem Gewitter hochsteigen ließ. Durch den Blitzeinschlag lud sich ein am Seil befestigter Schlüssel auf und begann zu leuchten. Die damit verbundene Entdeckung des „Elektrischen“ nannte er „Feuer“, welches aus Ladungen bestand („Vitreous charges“), die von einem positiven (Überfluss- [=Blitz]) zu einem negativen (Mangel-) Pol wandern mussten. Diese These trug dazu bei, dass heute Elektronen definitionsgemäss eine negative und Protonen eine positive Ladung aufweisen.
Lavoisier war ein begnadeter Chemiker. Schon mit 25 Jahren wurde er in die angesehene „Académie des Sciences“ gewählt. Er war der Erste, der die Zusammensetzung des Wassers bestimmen und aus den Komponenten wieder synthetisieren konnte. Diese Entdeckung machte ihn berühmt. Lavoisier gelang (vermeintlich) ebenfalls die Identifikation des Elementes, welches für saure Eigenschaften verantwortlich sein sollte und benannte dieses «Sauerstoff». In der Tat weisen viele saure Moleküle Sauerstoff auf. Sauerstoff ist zudem, gemäss gemäß Definition von Lewis, ebenfalls an sich als Säure zu betrachten. Eigentlich hätte der Wasserstoff die Bezeichnung „Sauerstoff“ verdient. Der Begriff des Sauerstoffs hatte sich aber bei der Entdeckung des Fehlers bereits derart eingebürgert, dass eine Korrektur im Sinne der Umbenennung nicht mehr möglich war.
Faraday begann seine Karriere als Buchbinder. Später entdeckte er sein Interesse an der Elektrizität. Obwohl er keine universitäre Ausbildung genoss und von Mathematik nichts verstand, wurde er einer der bedeutendsten Forscher aller Zeiten. So entdeckte er, dass ein Magnet um einen stromdurchflossenen Draht zu rotieren begann. Er postulierte folgerichtig, dass der Magnetismus eine zirkuläre Kraft darstellt. Ebenfalls entdeckte er die magnetische optische Rotation und erfand das Dynamo bzw. den Elektromotor. Daneben definierte er 1857 die Gesetze der Elektrolyse und damit auch die Begriffe des Ions, Anions und Kations sowie der Anode und Kathode.
Der deutsche Physiker Clausius formulierte das zweite Gesetz der Thermodynamik und ermöglichte dadurch die Anerkennung der Thermodynamik als eine Wissenschaft. Im Jahre 1857 postulierte er, wie gelöste Moleküle untereinander ständig austauschen und damit sogenannte Ionen in Lösungen vorkommen müssen. Dies trifft für alle dissoziierten Säuren und Basen zu.
Arrhenius war ein schwedischer Chemiker und Nobelpreisträger (1903), der die Leitfähigkeit des Wassers durch das Vorkommen von gelösten Ionen und deren gegenläufigen Bewegung erklärte. Ebenfalls definierte er Säuren als Wasserstoffverbindungen, die in wässriger Lösung Wasserstoffionen und Basen als Hydroxylverbindungen, die in wässriger Lösung Hydroxylionen abgeben würden.
Ostwald, aus Latvia stammend, wurde erst in Riga Chemieprofessor und sechs Jahre später in Leipzig. Unter anderem waren Arrhenius und Nernst seine Schüler. Ostwald erforschte das Massenwirkungsgesetz von Wasser, insbesondere in Bezug zur Elektrochemie. In diesem Zusammenhang hat er als Erster die Hydronium-Ionenkonzentration von Säuren elektrisch gemessen. 1909 erhielt er den Nobelpreis für seine Arbeit in Katalysierungs- und Gleichgewichtsreaktionen.
Nernst, in Preussen geboren, promovierte 1887 mit einer Arbeit über die elektromotorische Kraft in temperierten Metallplatten. Durch die von Arrhenius inspirierte Dissoziationstheorie forschte er auf dem Gebiet der Elektrochemie weiter. Im Jahre 1889, erst 25-jährig, formulierte er seine berühmte Nernst’sche Gleichung, welche die Konzentrationsabhängigkeit des Elektrodenpotentials eines Redox-Paares beschreibt. Den Nobelpreis erhielt er 1920 für seine Arbeit auf dem Gebiet der Thermochemie (siehe Kap. 8.2.1)
Der Amerikaner Henderson wurde nach seinem Medizinstudium an der Harvard Universität Professor für biologische Chemie. Seine Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der körpereigenen Puffersysteme, insbesondere von Kohlendioxyd, führte zu der berühmten Henderson-Gleichung (1908):
[H+] x [HCO3-] = K x [CO2] x [H2O]
Henderson untersuchte den Blutgastransport und die allgemeine Physiologie des Blutes als physiko-chemisches System. Zur bildlichen Erfassung dieser komplexen Zusammenhänge führte er graphische Charts – Nomogramme – in die Physiologie und damit auch in die Biologie ein. Als Pionier des Säure-Basen-Haushalts untersuchte er die Blut-Puffersysteme und die Säure-Basen-Regulation über die Nieren. Dabei erkannte er, dass die Wasserstoffionenkonzentration des Bluts aus der Konzentrationen von Bikarbonat (Hydrogenkarbonat) und Kohlensäure im Blut berechnet werden kann (Henderson-Gleichung).
Sörensen wurde in Dänemark geboren. Er war Direktor des Carlsberg-Laboratoriums, das von der gleichnamigen Brauerei gesponsert wurde. Bierbrauen ist schliesslich auch ein chemischer Vorgang. Bis dahin wurde der Säuregrad durch den Einsatz von Indikatoren bestimmt. Diese Beschränkung und Ungenauigkeit wurde zunehmend ein Problem, weshalb zur Quantifizierung vermehrt Galvanometer verwendet wurden. Es fehlte jedoch eine universell akzeptable Skala, die eine Vergleichbarkeit von Daten ermöglichte. Dies erreichte Sörensen durch die Definition und Einführung des pH-Werts (1909).
Der Physiker und Chemiker Hasselbach stammte ebenfalls aus Dänemark. Unter der Verwendung des pH-Werts von Sörensen formulierte er 1916 die Henderson-Gleichung um in die Henderson-Hasselbach-Gleichung:
pH = pK + log(HCO3-/dCO2)
oder in der allgemeinen Form:
pH = pK + log(A- / HA)
So wertvoll diese Gleichung bei der Analyse des SB-Haushaltes ist, sie ist ein wesentlicher Grund weshalb die SB Biochemie missverstanden wird. Doch dazu mehr in späteren Kapiteln.
Brönstedt war ebenso ein dänischer Chemiker mit dem Schwerpunkt Thermodynamik. 1923 formulierte er die Protonentheorie über Säuren und Basen, die sich von der Notwendigkeit eines wässrigen Milieus (Arrhenius) abkoppelte. Damit wurden Säure-Basen-Reaktionen nun auch ohne Wasser möglich.
Die Forschungen des amerikanischen Physikochemikers Lewis auf dem Gebiet der Valenzen eines Atoms und seiner Elektronenhülle schufen die Grundlagen für das Verständnis chemischer Bindungen. Im Jahre 1923 definierte er, dass Säuren elektrophile Elektronenpaar-Akzeptoren und Basen Elektronenpaar-Donatoren seien. Damit wurden Säuren zu Oxidationsmitteln und Basen zu Reduktionsmitteln. Es ist dabei gleichgültig, ob eine positive Ladung von einer Säure zu einer Base wandert oder eine negative Ladung in die entgegengesetzte Richtung.
Zusammen mit Donald Belcher entwickelte er 1933 die erste kommerziell einsetzbare pH-Messelektrode, um den Blut-pH-Wert zu bestimmen.
Der dänische Physiologie und Laborchemiker engagierte sich als Leiter eines Krankenhauslaboratoriums in Kopenhagen für eine bestmögliche Behandlung von künstlich beatmeten Polio-Patienten. Er fand heraus, dass der Schlüssel zu einer effektiven Steuerung der Beatmung in der Messung des Säure-Basen-Status und in der Oxygenierung liegt und war Mitentwickler der Blutgasanalyse. Sein Begriff des „Standard Bicarbonates“ (1957), die gemessene und mathematisch korrigierte Bikarbonatkonzentration bei einem CO2-Partialdruck von 40 mm Hg, erwies sich als «bester verfügbarer Parameter für nicht respiratorischen Störungen». Astrup entwickelte zusammen mit Siggard-Andersen im Jahre 1958 das Konzept des «Base -Excess» als Maß für den Therapiebedarf metabolischer Störungen.
Jörgensen erkannte die Bedeutung des Säure-Basen-Haushalts in der ambulanten Medizin, vor allem bei der Betreuung von chronisch Kranken. Anhand einer Salzsäuretitration ermittelte er das Säurepufferverhalten von Vollblut und Plasma. Seine Forschungsarbeiten legten 1985 den Grundstein der heutigen Venösen Bluttitration.
Die Arbeiten dieser Forscher haben die Basis zur heutigen klinischen Säure-Basen-Analytik gelegt. Interessanterweise sind aber viele Ansätze an die Regeln der allgemeinen Chemie angelehnt und sind für das Verständnis der Physiologie des Säure-Basen-Haushalts nur wenig hilfreich. Auch bestehen unterschiedliche Meinungen zu der Wertigkeit einzelner Aussagen: so wird z.B. der „Base Excess“ von amerikanischen Ärzten eher abgelehnt. Ob ihre Methode, nämlich die Auswertung des Plasmabikarbonats, tatsächlich dem überlegen ist, wird aber noch diskutiert. Dementsprechend ist offensichtlich Platz für weitere Forschungsansätze, wie sie in diesem Buch vorgestellt werden.
Der Säure-Basen-Haushalt ist ein sehr gutes Beispiel für die angewandte Biochemie. Entsprechend muss sich der Anwender zuerst mit den biochemischen Grundlagen auseinandersetzen
Das Hauptelement im Säure-Basen-Haushalt ist der Wasserstoff. Als nacktes Proton wird er zum Substrat der Säure.
Wasserstoff als Gas in seiner natürlichen Form als H2 hat eigentlich nichtmetallischen Charakter. Da er aber wie ein Metall ein Elektron abgeben kann, wurde der Wasserstoff auf der linken Seite des Periodensystems oberhalb der Alkalimetalle eingereiht, die ebenfalls jeweils ein Elektron spenden können. Damit ist molekularer Wasserstoff eigentlich eine Base (Lewis-Base). Nach der Elektronenabgabe wird aus ihm zwar eine Lewis-Säure, aber nicht eine Arrhenius/Brönstedt-Säure, weil er sich selbst nicht abgeben kann. Das Wasserstoffion spielt aber bei allen mehr oder weniger am Säure-Basen-Haushalt beteiligten Verbindungen eine Rolle, ist aber nicht alleine für den pH Wert einer Lösung verantwortlich!
Alkalimetalle sind wie der Wasserstoff in der Lage, ein Elektron abzugeben. Diese Eigenschaft definiert ihren Basencharakter (Alkali-Metalle). Wären sie als Kationen im Stoffwechsel fähig, Elektronen wieder aufzunehmen, würden sie gleichwohl als Säuren in Erscheinung treten. Sämtliche Alkalimetalle, wie auch die benachbarten Erdalkalimetalle der zweiten Gruppe, werden jedoch bereits in ionisierter Form dem Körper zugeführt und verlassen ihn auch so wieder. Aus diesem Grunde beeinflussen sie den Säure-Basen-Haushalt lediglich durch ihre Präsenz, nicht jedoch durch ihre Reaktivität.
Die eigentlichen Säuren sind auf der rechten Seite des Periodensystems zu finden. Es sind Elemente wie Sauerstoff, Fluor, Phosphor, Schwefel oder Chlor, die in physiologischer Umgebung durch ihre Eigenschaft als Oxidationsmittel eine negative Ladung tragen. Die meisten werden wie bei den Metallen in einem stabilen ionisieren Zustand aufgenommen und in dieser Form wieder abgegeben. Aus diesem Grunde beeinflussen auch sie den Säure-Basen-Haushalt durch ihre Präsenz, nicht jedoch durch ihre Reaktivität.
Eine Ausnahme bildet der Sauerstoff, der nach seiner Aufnahme als elementares Gas als Oxidationsmittel in der Atmungskette reduziert wird und damit eine echte stoffwechselaktive Lewis-Säure verkörpert. Sauerstoff verlässt in deutlich veränderter Form, nämlich als Wasser und Kohlendioxid den Körper. Bei diesem Element steht damit weniger die Präsenz als vielmehr die Reaktivität im Vordergrund.
Die Definition von Säuren und Basen ist wohl kaum einem fremd. Trotzdem muss die gängige Betrachtungsweise für das physiologische Verständnis im Rahmen des lebendigen Säure-Basen-Haushalts erneut in Erinnerung gerufen und zugleich kritisch hinterfragt werden.
Definitionsgemäß setzen Säuren gelöst in Wasser Wasserstoffionen frei und verändern die Indikatorfarbe von Lackmus von blau nach rot.
Säuren reagieren mit Basen, um Wasser und Salz zu bilden.
HCl + NaOH → NaCl + H20
Interessanterweise sind Säuren auch tatsächlich charakteristisch sauer im Geschmack.
Basen weisen dagegen nicht einen „basischen“ sondern bitteren Geschmack auf. Sie verändern sinngemäß die Farbe von Lackmus von rot nach blau und reagieren mit Säuren, um Wasser und Salz zu bilden.
Sobald eine Säure ihr Proton abgegeben hat, verwandelt sie sich in eine Base, die wiederum dieses Proton aufnehmen kann. Bei einer Titration z.B. von Natronlauge mit Salzsäure kann dieser Sachverhalt gut beobachtet werden und trifft uneingeschränkt zu. Trotzdem ist diese Definition eines der grössten Hindernisse im Verständnis des Säure-Basen-Haushalts beim Menschen.
Es muss nämlich grundsätzlich zwischen pH-variablen und pH-konstanten Systemen unterschieden werden. Die klassische Säure-Basen-Definition ist anwendbar in einer pH-variablen Umgebung. Sobald jedoch wie in biologischen Systemen der pH-Wert stabilisiert wird, kommt eine andere Säurebasendefinition zum Tragen, nämlich die funktionelle pH-Konstante:
Nach dieser Definition werden unter bestimmten Umständen Säuren funktionell wieder zu Basen und umgekehrt! So wird ein negativ geladenes Laktat-Ion, obwohl nach klassischer Definition eine Base, im Organismus bei pH 7.4 seine Säurefunktion so lange beibehalten bzw. durch seine Anwesenheit das Milieu ansäuern, bis es durch den Stoffwechsel (siehe Kap. 5.5 / Cori Zyklus) wieder zu Glucose transformiert (dabei wird ein Proton verbraucht) oder ausgeschieden wurde.
Das Natriumbikarbonat ist eine in der Anwendung verbreitete Base, die Kohlensäure deren konjugierte Säure. Beiden Formen enthalten Bikarbonat, bei der Säure wird lediglich das Natrium durch ein Wasserstoffion ersetzt. Damit entscheidet nicht das Bikarbonat über das Säurebasenverhalten, sondern das Wasserstoff- und Natriumion. Funktionell ist damit das Natrium die Base und das Bikarbonat die Säure, die protonisiert in der Lage wäre, dieses Proton wieder abzugeben, vorausgesetzt das Milieu ist basischer als die Säurekraft pKs. Bikarbonat wird erst dann zur Base, wenn das Milieu den pKs Wert von 6.1 unterschreitet, was im menschlichen Organismus nur mit Ausnahme der Fall ist.
Ursprünglich wurde die Säure durch ihre Konzentration quantifiziert, was 1908 zur Gleichung von Henderson geführt hat (siehe Kap. 2). Mittlerweile weiß man jedoch, dass die Menge einer gelösten Säure nicht gleichbedeutend ist mit deren chemischer Aktivität.
Sörensen führte zur Vereinfachung 1909 den Begriff des pH-Werts ein und benutzte den Logarithmus, um große Zahlenbereiche rechnerisch zu komprimieren.
Als kalkulatorische Stütze zur pH-Wert-Berechnung sei hier erwähnt, dass eine Veränderung von 0.3 pH-Einheiten einer Verdoppelung bzw. Halbierung der Säure-Konzentration gleichkommt.
Weil die Aktivität einer gelösten Säure nicht nur von deren Konzentration abhängt, sondern auch von weiteren Faktoren wie Temperatur, Druck und Ioneninteraktion, sind Korrekturfaktoren für die Umrechnung nötig.
Nur bei sehr tiefen Säurekonzentrationen, wie sie in biologischen Systemen vorkommen, entspricht die Konzentration dem pH-Wert. Bei steigender Konzentration nimmt der pH-Wert hingegen langsamer ab als erwartet, weil positiv und negativ geladene Ionen sich verbinden und sich dadurch dem Säuregeschehen entziehen. Bei weiterem Anstieg der Säurekonzentration beginnen sich gleichgeladene Ionen zusätzlich gegenseitig abzustoßen, was einen exponenziellen Anstieg der Säureaktivität bzw. -abfall des pH-Werts bei realen Lösungen erzeugt (Abb.3.1).
Abb. 3.1
pH-Wert und Temperatur
Die Temperatur ist chemisch ein Mass für die Bewegungsintensität der Moleküle. Diese beeinflusst auch die Protonenaktivität saurer Lösungen. Damit wird ein Temperaturanstieg die kinetische Energie der Hydroniumionen anheben. Die zu erwartende pH-Änderung lässt sich nach Rosenthal wie folgt berechnen:
Rosenthal-Korrekturfaktor:
Abkühlung um Δ1°C → pH + 0.015 Einheiten
Blut-pH-Wert-Messung bei 37°C = 7,45
Blut-pH-Wert-Messung bei 22°C = 7,675
Temperatur 15°C = 0.225 pH Einheiten => 7.45 + 0.225 = 7.675
Dieser Korrekturfaktor ist bei der klinischen Säure-Basen-Messung (siehe Kap. 9) von ausschlaggebender Bedeutung.
pH-Wert-Messung
Der pH-Wert hat sich als universelle Messparameter für die Aktivität, nicht für die Konzentration (!) einer Säure in Lösungen etabliert. Er wird durch eine pH-Elektrode bestimmt (siehe Kap. 8.2.3). Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass die Hydroniumionenkonzentration grundsätzlich falsch ist, da sie den Aktivitätskoeffizient ignoriert. In dem gemessenen pH-Wert ist dieser Umrechnungsfaktor jedoch bereits enthalten.
Die Nachteile des pH-Begriffs sind trotzdem nicht zu übersehen. Er verkörpert eine zweifache nicht lineare Transformation der Hydroniumionenkonzentration, ist schwierig zu begreifen und versteckt die tatsächliche Größe einer Säureveränderung.
Der pH-Wert sagt über die Stärke einer Säure nichts aus. Dazu dient der pKs-Wert, der aus dem Ionenprodukt abgeleitet wird. Je rascher und intensiver die molekulare Dissoziation in die einzelnen Ionen (negative Anionen und positive Kationen) erfolgt, umso höher ist die Ionenkonzentration bei einer bestimmten Substratmenge und damit auch die Stärke die Säure.
Ionenprodukt von Wasser: [ H2O ] x KS = [ OH- ] [ H3O+ ] = 1,008 x 10-14
Ionenprodukt für eine beliebige Säure gelöst in Wasser: [ H2O ] x [ HA ] x KS = [ H3O+ ] [ A- ]
Im Falle von Wasser als eigenes Lösungsmittel beträgt [ H2O ] definitionsgemäss = 1. Somit kann dieser Wert in der Gleichung ignoriert werden.
→ KS = [ H3O+ ] [ A- ]
Der KS-Wert wird in Analogie zum pH-Wert als negativer Logarithmus (pKs) angegeben. Weil die Anionen und Kationenkonzentrationen aus einer einfachen Dissoziation hervorgehen und in der Regel identisch sind, ist der pKs-Wert immer die negative Quadratwurzel des Ionenprodukts. Wasser hat somit einen pKs-Wert von 7 (14/2). Die Henderson-Hasselbach’sche Gleichung sagt zudem aus, dass bei Übereinstimmung des pH-Werts einer Lösung mit ihrem pKs-Wert die gleichen Konzentrationen an dissoziierter wie nicht dissoziierter Säure anzutreffen sind.
Über die Kenntnis des pKs-Werts lässt sich der Dissoziationsgrad einer Säure vorhersagen. Eine Säure mit einem pKs-Wert von 4 wird in einer gepufferten wässerigen Lösung von pH = 7 um den Faktor Tausend mehr in dissoziierter als in nicht dissoziierter Form vorliegen.
Liefert der pH-Wert Informationen über die Aktivität und der pKs-Wert Auskunft über die Stärke der Säure, fehlt noch die Angabe über deren Menge. Auch wenn diese beiden Werte einer in Wasser gelösten Säure bekannt sind, so kann die Menge der Säure noch nicht anhand der Henderson-Hasselbach’schen Gleichung berechnet werden, sondern höchstens der Koeffizient (A-/HA). Daher wird die Menge über eine weitere Messmethode, die Titration bestimmt.
Bei dieser muss grundsätzlich zwischen schwachen und starken Säuren unterschieden werden. Bei Säuregemischen, wie z.B. beim Blut, ist die klassische Titration mit Äquivalenzpunktbestimmung nicht mehr möglich, liefert aber anderweitige Informationen (siehe Kap. 8.3). Das Prinzip jeder Titration ist die Zugabe einer bekannten Menge einer starken Säure oder Base zu einer basischen respektive sauren Lösung unbekannter Konzentration.
Die zugegebene Titrator-Masslösung, in diesem Fall eine starke Base, dissoziiert vollständig in ihre einzelnen Ionen und neutralisiert damit eine äquivalente Säurenmenge in der zu analysierende Probe. Da nur starke Säuren und Basen involviert sind, wird die Lösung entweder Säuren oder Basen enthalten, aber niemals beide Formen nebeneinander. Deshalb kann ein Punkt in der Titration erwartet werden, bei dem die gesamte Säure neutralisiert wurde und noch kein Basenüberschuss entsteht. Dieser sogenannte Äquivalenzpunkt ist die Kreuzung der Titrationsgeraden mit der gedachten Abszisse bei Mengengleichheit
Mit einem Indikator kann dieser Umschlagspunkt gemessen und damit die Konzentration der unbekannten Säure aus der Menge der zugegebenen Masslösung berechnet werden.
Wird eine Titration einer starken Säure mit einer starken Base graphisch mit zwei linearen Achsen aufgezeichnet, ist die „Titrationskurve“ ebenfalls linear (Abb. 3.2).
Abb 3.2 Titration einer starken Säure mit einer starken Base (Koordinatensystem mit linearer Abszisse und Ordinate
Wird diese gleiche Titration nun aber auf einem Koordinatensystem mit einer negativ logarithmischen Ordinate (pH-Wert) aufgezeichnet, ändert sich der Kurvenverlauf grundlegend in die vertraute geschwungene „S“-Form (Abb. 3.3). Diese hat den Vorteil, dass die gesuchte Konzentration dem Wendepunkt der Kurve entspricht, was eine wesentlich genauere Konzentrationsbestimmung ermöglicht.
Abb. 3.3 Titration einer starken Säure mit einer starken Base, Koordinatensystem mit linearer Abszisse und logarithmischer Ordinate
Bei starken Säuren und Basen kommt eine Koexistenz nicht vor. Anders verhalten sich hingegen schwache Säuren und Basen. In bestimmten Bereichen ist diese Koexistenz durchaus möglich. Diese ist am stärksten ausgeprägt beim pKs-Wert der Säure und entspricht der Zone mit der maximalen Pufferung (Abb. 3.4).
Abb. 3.4 Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base, Koordinatensystem mit linearer Abszisse und logarithmischer Ordinate
Mit zunehmender Anzahl unterschiedlicher schwacher Säuren und Basen wird sich diese Kurve immer weiter strecken, bis schließlich die Titration eine Gerade hervorbringt. Erhöht sich der prozentuale Anteil starker Säuren oder Basen, entstehen wieder gebogene Kurvenstrecken in der Titration.
Lavoisier war nicht nur derjenige, der den Sauerstoff als Vermittler der sauren Eigenschaft definierte, sondern führte zudem den Begriff der Oxidation für alle Vorgänge ein, bei denen sich Substanzen mit Sauerstoff verbinden [17]. Meistens erfolgten diese Reaktionen sehr rasch und imponierten dadurch als Feuer bzw. Verbrennung. Dass es sich dabei um eine Elektronenübertragungsreaktion handelte, konnte damals noch niemand wissen. Stattdessen wurde versucht, die Erscheinung mit dem Begriff der „Phlogistonen“ zu erklären, die als „Feuerteilchen“ übersetzt werden können. Allmählich wurde jedoch erkannt, dass nicht nur Sauerstoff, sondern auch z.B. sauerstofffreie Verbindungen Verbrennungsprozesse eingehen. Der Begriff der Oxidation wurde in der Folge wie auch die gegenläufige Reaktion der Reduktion verallgemeinert. Weil stets eine Elektronenaufnahme auch eine -abgabe bedingt, hat sich der Begriff der Redoxreaktion eingebürgert.
Eine Analogie zu den Säure-Basen-Reaktionen ist unverkennbar. Dort werden lediglich anstelle von Elektronen Protonen verschoben. Bei beiden münden ausserdem Spontanreaktionen jeweils in ein tieferes energetisches Gesamtniveau ein, diese Reaktionen sind also exotherm bzw. energiespendend. Umgekehrt können endotherme Reaktionen durch die Aufnahme von Energie, energiereichere Verbindungen hervorzubringen. Beispiele aus der Redoxreihe wären NADH, FADH und ATP (siehe Kap. 4.6). Dadurch wird gleichzeitig eine Art Elektronenpufferung bewirkt. Ähnliches kann durch endothermische Protonenaufnahme geschehen, wie z.B. bei der Milchsäure, die im Cori-Zyklus (siehe Kap. 5.5.3) dadurch wieder zu Glucose zurückverwandelt wird.
Die unterschiedlichsten Elektronenübertragungsreaktionen sind möglich. So können gewisse (Übergangs-)Metalle wie z.B. Eisen ihre Elektronen stufenweise abgeben und elementare Nichtmetalle wie z.B. Sauerstoff diese aufnehmen. Redox-Reaktionen sind jedoch auch dadurch möglich, dass die Elektronenakzeptoren das Elektron samt Molekül in Form einer (unterschiedlich polaren) Kovalenz an sich binden. Dieses Verhalten findet sich z.B. bei der Substratoxidation in den Mitochondrien (siehe Kap. 4.6).
Reine Elektronenübertragungsreaktionen sind dagegen selten und meistens mit Protonenübertragungen gekoppelt [17], wie z.B. die organischen Reduktionsmittel NADH und NADPH. Obwohl sie wie Säuren aussehen, sind sie basisch, da sie kein Proton, sondern ein Hydrid-Ion (H-) abgeben. Auf diese Weise werden sie positiv geladen und bilden einen Gegensatz zu den echten Säuren, die als konjugierte Base eine negative Ladung aufweisen. Dieses Beispiel soll auch die Komplexität der Reaktionsmöglichkeiten mit ihren Mischformen illustrieren.
Redoxreaktionen laufen spontan stets in der Richtung des entstehenden schwächeren Reduktions- bzw. Oxydationsmittels ab. Verglichen mit den Ausgangssubstanzen ist bei den Produkten die Abgabe bzw. Aufnahme eines Elektrons erschwert. Entsprechend lassen sich Redoxpaare nach ihrer Stärke einreihen (Tab. 3.1).
Biologische wässrige Systeme weisen einen Standardpotenzials (SP) von ca. 0 auf. Elemente, die in der Tabelle darüber figurieren, also negativer sind, finden wir stets in ihrer oxidierten Form. Je negativer das Standardpotenzial bzw. je weiter oben sie in der Tabelle stehen, desto stabiler ist das Element im oxidierten Zustand.
Elemente bzw. Ionen mit einem positiven SP können in wässerigen Systemen physiologisch sowohl in ihrer oxidierten wie auch in ihrer reduzierte Form vorkommen.
Je negativer das Standardpotenzial, umso leichter werden Elektronen freigesetzt. Damit steigt ihre Alkalinität. Haben Elemente einmal ihrer Elektronen abgegeben (Lewis-Basen) werden diese als basische Ionen weiter existieren, solange das gelöste Ion kein Elektron aufnimmt und als positive Ladung verweilen wird. Basisch sind sie auch nach der Definition des Elektroneutralitätsgesetzes. Dabei muss die Summe aller Ladungen Null betragen. Mineralien mit positiven Ladungen verdrängen die ebenfalls positiven saure Hydronium-Ionen.
Dieses Kapitel integriert die chemischen Grundlagen in die für den Säure-Basen-Haushalt wichtigsten Organsysteme und bildet die eigentliche Basis des physiologischen Verständnisses.
Verschiedene Autoren betonen immer wieder, dass der menschliche Blut-pH-Wert in einer engen Bandbreite stabil gehalten werden müsse. Diese Fehleinschätzung geht auf Hasselbach mit seiner mathematischen Logarithmisierung der H3O+ -Konzentration zurück. Zwar eignen sich Logarithmen einerseits hervorragend zur Komprimierung grosser Zahlenbereiche, sie lassen sich aber mit den gängigen Normwerten von Laborparametern nicht ohne weiteres vergleichen, da diese als lineare Zahlen dargestellt werden und damit im Verhältnis zu den engen logarithmisierten Werten gespreizt erscheinen (Tab. 4.1.)
Tabelle 4.1
Beim pH-Wert des Bluts wurden der Optimal- und in Klammern der Maximalbereich aufgeführt. Letzterer ist noch theoretisch mit dem Leben vereinbar und mit demjenigen von Kalium vergleichbar, bei dem deutliche Abweichungen ebenso lebensgefährlich sein können. Ein klinisches Beispiel für dieses Phänomen sind Herzrhythmusstörungen bei Hyperkaliämie (siehe Kap. 11.1.2).
Absolut gesprochen sind die Änderungen der Protonenkonzentrationen sehr gering, aber die Ausgangskonzentration ist ebenfalls extrem tief. Bei einem pH-Wert von 7,4 beträgt die Protonenkonzentration lediglich 40 nmol oder 0,00000004 Mol, also rund 2.500.000-mal weniger als die Chloridkonzentration und ist theoretisch zwischen 15 nmol und 158 nmol (Faktor 10) noch mit dem Leben vereinbar.
Der dem pH-Wert in seiner Wichtigkeit gleichwertige pOH-Wert (pOH = negativer Logarithmus der basischen Hydroxylionenkonzentration) ist viel weniger als dieser bekannt. Jede Verschiebung des pH-Werts führt aber zu einer gegenläufigen Veränderung des pOH-Werts.
Senkt sich z.B. der pH-Wert von 7,4 in Rahmen einer Azidose auf 7,1 ab, verdoppelt sich nicht nur die Säure-Aktivität, sondern gleichzeitig wird die Basen-Aktivität halbiert.
Damit steigt die tatsächlich tolerierte Veränderung im Verhältnis der Säuren zu Basen von Faktor 10 (zehnmal mehr oder weniger Säuren) auf 100 ([zehnmal mehr oder weniger Säuren] x [zehnmal mehr oder weniger Basen]).!
Die meisten der menschlichen Stoffwechselreaktionen beinhalten die Aufnahme und Abgabe eines Protons. Diese Vorgänge sind ausgeglichen und tragen im Wesentlichen nicht zur Säureentstehung bei. Per Saldo überwiegt jedoch das Protonenangebot, nicht in erster Linie durch den Stoffwechsel (außer bei Krankheiten), sondern vor allem über die Nahrungszufuhr. Deswegen würde sich der menschliche Organismus ohne Gegenmaßnahmen unweigerlich in eine Azidose bewegen.
Entsprechend der hohen Stoffwechseldynamik ist der Wasserstoffumsatz beeindruckend. Um die Zahlen ausreichend würdigen zu können, muss man sich stets die niedrige Protonenkonzentration im Blut und die geringen Mengen von nicht flüchtigen Protonen, die die Nieren ausscheiden müssen (ca. 100 mmol oder 1 mmol/Kg KG) vergegenwärtigen (Tab. 4.2).
Tabelle 4.2
Mit anderen Worten beträgt der Gesamtumsatz der flüchtigen und nicht flüchtigen Protonen ca. 572.000 mmol (Summer der linken Spalte) was dem totalen CO2 Produktion entspricht. Ein enormer Umsatz im Vergleich zu der Protonenkonzentration im Blut von 0,00004 mmol. Von dem Gesamtumsatz werden 100 mmol oder 0,0175 % ausgeschieden.
Der pH-Wert ist ein wichtiges Stellglied des «Milieu Interieur». Er ist ein ubiquitäres Instrument, welches lediglich durch seine unterschiedliche Größe wesentliche Kontroll- und Steuerfunktionen übernimmt. Für alle Lebewesen ist es eine permanente Herausforderung, den geeigneten pH-Wert innerhalb ihrer multiplen Kompartimentierungen jeweils physiologisch aufrecht zu erhalten.
Am bekanntesten ist der Blut-pH-Wert, der mit pH = 7,4 nicht neutral, sondern deutlich basisch ist. Im Gewebe und in den Organen können dagegen unterschiedlichste pH-Werte vorherrschen, die aber weitgehend unterhalb dem des Bluts liegen. Zellen weisen meist einen durchschnittlichen pH-Wert von 6,9 auf (=Neutral-pH bei 37 Grad Celsius!), was einer mehr als dreifachen Säureaktivität gegenüber dem Blut entspricht.
Es ist also ein deutliches Säure-Gefälle von der Zelle in Richtung Blut zu beobachten. Dieser Gradient unterstützt die Entsorgung der Protonen, welche zudem durch das die Zellen und Zellverbände umgebende Bindegewebe (Matrix) gesteuert wird. In den Zellen weisen die einzelnen Organellen ihr eigenes pH-Optimum auf:
Diese Unterschiede sind notwendig, damit die pH-empfindlichen Enzyme optimal arbeiten können. Zum Aufbau der dafür notwendigen Gradienten stehen unterschiedliche Mechanismen zur Verfügung, die als „Pump-und-Leck“-Modell zusammengefasst werden [24].
Membranen beherbergen die unterschiedlichsten Rezeptoren, Kanäle und Funktionsproteine, um einerseits eine Kompartimentierung, andererseits den nötigen Stoffaustausch sowie membrangebundene Prozesse zu ermöglichen. Aktive Transporter gehören zu den Funktionsproteinen. Für den Säure-Basen-Haushalt sind es die sogenannten H+-ATPasen, die durch den Verbrauch von Mg2+ Protonen in die Organellen hineinschleusen. Alle geschlossenen Organellen mit Ausnahme des offenen endoplasmatischen Retikulums besitzen H+-ATPasen. Es wird angenommen, dass nicht die Aktivität sondern die Anzahl der ATPasen über die Ansäuerung der Organellen entscheidet [24].
Die Protonenpumpfunktion kann durch den Aufbau eines elektrischen Potenzials an der Membran limitiert werden, sofern nicht gleichzeitig genügend „Gegenionen“ z.B. in häufigen Fällen negativ geladene Chloridionen zur Verfügung stehen. Es wird vermutet, dass das Einstromverhalten der Chloridionen eines der wesentlichen Faktoren in der Bestimmung des intraorganellären pH-Werts darstellt. Intrazellulärer Chloridmangel führt auch zu einer messbaren Alkalisierung in den Golgi-Apparaten [45]. Der passive Ausstrom von Kaliumionen ist außerdem für die Neutralisierung der einströmenden H+ -Ionen von Bedeutung.
Transporter wie der Na+/H+-Antiporter, die wie alle Enzyme Proteine sind, sind in der Nähe des Soll-pH-Werts weitgehend passiv und werden durch Konzentrationsverschiebungen angeregt. Sie werden allosterisch (Hemmung fernab des aktiven Zentrums) durch ihr Substrat (H+) reguliert. Diese Art der Steuerung kommt bei den ATPasen nicht vor.
Regulative Transporter befinden sich in den Membranen vieler Zellen, insbesondere des Nephrons der Nieren, insbesondere in den Sammelrohren und in den Epithelzellen des proximalen Tubulus. Die Membranpumpe ist in erster Linie für die Aufrechterhaltung der Homöostase von pH-Wert und Natrium verantwortlich. Defekte an Na+ / H+ -Antiportern können zu Herz- oder Nierenversagen führen. Angiotensin II reguliert diesen Antiporter im proximalen Tubulus, um die Na+ -Reabsorption und die H+ -Sekretion zu fördern.
Verschiedene Untersuchungen weisen auf eine gewisse H+-Membran-Permeabilität hin [45; 25; 28; 56]. Im Gleichgewicht entspricht der passive H+-Ausstrom entlang dem pH-Gradienten der H+-Pumpwirkung der ATPasen. Organellen ohne ATPasen wie z.B. das Endoplasmatische Retikulum oder der Golgi-Apparat nehmen stets durch die Durchlässigkeit der passiven Transporter den pH-Wert ihrer Umgebung an. Somit wird dieser von der Regulationsfähigkeit der Plasmamembranen bzw. dem allgemeinen Säure-Basen-Haushalt entschieden. Je mehr passive Transporter ein Organell aufweist, umso geringer ist die durch den H+-Rückfluss bedingte mögliche maximale lokale Ansäuerung.
Interessanterweise scheint Zink in der Lage zu sein, diesen aus Polypeptiden bestehenden passiven Transporter zu hemmen und damit den lokalen pH-Wert zu senken [24].Sehr brisant wird diese Beobachtung vor dem Hintergrund, dass die Alkalisierung(!) des Golgi-Apparats sowohl Zellteilung (bis hin zu Entartung?) sowie die Anfälligkeit für viralen Infektionen fördern könnte [87]. Die gute Wirkung von Zink bei viralen Infektionen ist bekannt.
Diese «Protonen-Kanäle» sind unter den pH-Wert-Regulatoren in ihrer Art einmalig. Sie benötigen kein ATP und sind auch nicht von der Kopplung an andere Ionen abhängig. Dadurch ist ein massiver Ausstrom von Protonen ohne jeglichen energetischen Aufwand möglich. Diese Kanäle sind jedoch nicht einfache Löcher: Sie enthalten vielmehr eine Reihe von Histidin-Molekülen entlang einer Alpha-Helixstruktur, welche die Membran penetriert und einen „Protonen-Draht“ repräsentiert. Damit „hüpfen“ die Protonen von einer Imidazolgruppe des Histidins zur nächsten, bis schließlich das andere Ende erreicht wird (siehe Kap. 4.5.1).
Die pH-Werte steuern maßgeblich die Kinetik aller Enzyme. Je nach Größe und Komplexität besitzen Enzyme eine unterschiedliche Anzahl ladungstragender Aminosäuren, die je nach Lokalisation für unterschiedliche Funktionen verantwortlich sind.
Oberflächliche Ladungen sind vor allem bei Eiweißmolekülen mit hohem Molekulargewicht für deren Wasserlöslichkeit von Bedeutung. Die Löslichkeit ist am größten, wenn die Gesamtladung nicht gleich Null ist, wodurch Salzbildungen möglich werden. Am isoelektrischen Punkt, ist die Löslichkeit am geringsten. Werden die negativen Ladungen im Falle einer Azidose oder die positiven Ladungen bei einer Alkalose neutralisiert, kann die Löslichkeit eine kritische Schwelle unterschreiten.
Zudem sind die Ladungen bei den Membranproteinen für deren Ausrichtung mitverantwortlich. Die hydrophilen Ladungsträger ragen aus der lipophilen Membran heraus, während die hydrophoben ladungsfreien Proteinabschnitte die Membran durchdringen.
Innere Ladungen sorgen für die korrekte Faltung der Eiweißstruktur und sind auch an der Aneinanderlagerung verschiedener Proteinuntereinheiten zu einem Gesamtmolekül beteiligt. Eine deutliche Säure-Basen-Störung während der Proteinsynthese könnte sich hier auswirken. Leider muss diese Aussage allgemein gehalten werden. Es gibt keine „Proteinfaltungskrankheit“. Vielleicht könnte die beobachtete Wachstumsverzögerung bei Kindern mit chronischer Azidose zum Teil auf dieses Konto zurückgeführt werden. Die Alkalose fördert hingegen das Wachstum bzw. die Zellteilung (s. Oben, Golgi Apparat fördert bei Alkalose die Zellteilung). Die Proteinsynthese und vor allem die Faltung ist aber noch Gegenstand intensiver Forschung.
Die katalytischen Stellen weisen ebenfalls unterschiedliche Ladungen auf. Mit zunehmenden polaren Ladungsträgern werden die Zentren hydrophiler. Weisen sie zudem unterschiedliche Vorzeichen auf, werden die Moleküle nicht nur hineingezogen, sondern auch in die richtige Position ausgerichtet. Sind hingegen die aktiven Enzymzentren ladungsfrei bzw. apolar, würden sie vielmehr lipophile/hydrophobe Moleküle anziehen.
Viele Enzyme weisen neben katalytischen Zentren allosterische Stellen auf, die ausschließlich der Regulation der Enzymaktivität dienen. Diese kann z.B. durch eine Milieuänderung so beeinflusst werden, dass das ursprüngliche optimale Zellklima zurückerlangt wird. Wäre das Gegenteil der Fall, so würde jede kleinste Änderung sich selber bis zur Vernichtung potenzieren. So wird z.B. eine Alkalisierung die Abgabe von Sauerstoff aus dem Hämoglobin vermindern. Damit steigt der anaerobe Stoffwechsel an und gleichzeitig die Laktatproduktion, die ihrerseits das Milieu wieder ansäuert.
Bekannte Beispiele für die pH-Abhängigkeit von Enzymen sind die Verdauungsfermente wie das Pepsin, das am effizientesten in einem saueren Milieu arbeitet, die Karboanhydrase, die eine neutrale Umgebung verlangt oder das Trypsin, welches im alkalischen Milieu um pH 8 seine höchste Aktivität entfaltet.
Zellmembranen erfüllen eine Reihe wichtiger Aufgaben. In erster Linie sind sie für die Zellkompartimentierung verantwortlich. Nur dadurch kann überhaupt eine Zelldifferenzierung mit einem gleichzeitigen intensiven und geregelten Stoffaustausch zustande kommen. In diese Membranstruktur sind viele Enzyme eingebettet, wodurch sie wesentlich effizienter arbeiten können (Vergleich mit einer Drehbank, welche für die Arbeit befestigt sein muss).
Membranen selbst bestehen aus einer Doppellipidschicht, die innen lipophil und aussen hydrophil ist. Biologische Membranen können durch diese lipophile Struktur gut isolieren. Diese Eigenschaft ermöglicht besonders bei den Nervenfasern eine elektrische Konduktivität (siehe Kap. 11.1). Je höher ihr Lipidanteil, umso stärker ist die Isolierung.
Eine besondere Ausprägung findet sich im Myelin. Diese Isolation der Nervenfasern besteht aus 76% Lipiden und 18% Proteinen. Bei der inneren Mitochondrienmembran, die vor allem für die Elektronentransportkette ausgelegt ist (siehe Kap. 4.6), ist das Verhältnis dagegen mit 75% Proteinen zu 25% Lipiden nahezu gespiegelt. Die Plasmamembranen der Erythrozyten weisen dagegen ca. gleiche Anteile an Lipiden und Proteinen auf [106].
Grundsätzlich gilt: Je mehr Aktivität an einer Membran entfaltet wird, umso höher ist ihr Eiweißanteil. Deshalb erfordert die Nervenleitung mit ihrem geringen Eiweißanteil in den dortigen Membranen vor allem passive Mechanismen. Einen Gegensatz dazu stellen die Mitochondrien dar, die für eine aktive ATP-Synthese verantwortlich sind. Und je höher der Proteinanteil umso mehr wird eine kinetische Abhängigkeit des pH-Wertes zu erwarten sein, wie dies bei der Funktion der Mitochondrien bestätigt werden kann (siehe Kap. 4.6).
Proteine oder Eiweiße werden in zwei Hauptgruppen, die Struktur- und Funktionsproteine unterteilt. Sie bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl der rund 20 proteinogenen Aminosäuren. Viele Eiweiße sind häufig sehr große Moleküle, wie z.B. die Immunglobuline oder Transportproteine. Schon aufgrund dieser Größe können sie nicht wasserlöslich sein. Sie würden aus dem Blut auskristallisieren, wäre nicht ihre Oberfläche mit einer Schicht von polaren Aminosäuren überzogen. Die wichtigsten dabei sind:
In der Tab. 4.3 steht der pKs1-Wert für die Stärke der sauren Karboxylgruppe, der pKs3-Wert für die basische Aminogruppe und der pKs2-Wert für die Säurestärke der funktionellen Gruppe. Es fällt auf, dass die pKs-Werte relativ weit vom physiologischen pH-Wert entfernt sind. Somit ist die pH-Sensibilität bei den meisten Proteinen im physiologischen Bereich gering. Der Abstand des physiologischen pH-Werts von 7.4 zu dem basischen pKs-Werte von Histidin ist jedoch rund hundertmal kleiner als zu den sauren. Histidin ist mit der Imidazolgruppe eine funktionelle Aminosäure, kann sie Protonen mit der Seitenkette alleine aufnehmen und wieder abgeben. Diese funktionelle Eigenschaft nimmt ab, je weiter der pH Wert sich vom pKs2 bewegt. Dies ist möglicherweise ein Grund, weshalb Alkalosen vom Organismus in der Regel schlechter toleriert werden als Azidosen. Die Beurteilung des pH-Wert-Einflusses wird jedoch dadurch erschwert, dass die pKs-Werte nur für die isolierten Aminosäuren exakt zutreffen. Sobald sie in ein Proteinmolekül integriert sind, können die pKs-Werte durch Interaktionen deutlich abweichen.
Tab. 4.3 pKs-Werte von sauren und basischen Aminosäuren
Der Organismus besteht aus drei Kompartimenten:
Allen Zellen vorgeschaltet ist die sie umgebende Matrix-Grundsubstanz. Biochemisch stellt sie ein Maschenwerk aus hochpolymeren Zucker-Protein-Komplexen dar, in denen die
überwiegen, gefolgt von
Diese Proteine bilden funktionell ein Molekularsieb, über das der gesamte Stoffaustausch von der Kapillare zur Zelle und zurück erfolgt («Transitstrecke», [40]). Wichtig für den Säure-Basen-Haushalt sind die negativen Ladungen der Matrix-Zuckeroberflächen der Zellen (Glykokalyx) und der Proteinstrukturen. Dadurch können sie überschüssige Protonen im Sinne einer Pufferung auffangen.
Allerdings werden dabei ihre Eigenschaften verändert. So nimmt die hohe Wasserbindungsfähigkeit der geladenen Proteoglykane ab, wodurch z.B. die Druckfestigkeit von Knorpelgewebe abnehmen kann. Wahrscheinlich werden dadurch auch andere wichtige Matrix-Funktionen beeinträchtigt: So vermittelt die Matrix-Glykokalyx extra- und intrazelluläre Informationen u.a. durch die Regulation membranständiger Botensysteme (z.B. cAMP, Adenylatzyklase) und kontrolliert zudem die membrandurchsetzenden Ionenkanäle. Die Glykokalix entscheidet damit wesentlich über die quantitative und qualitative zelluläre Stoffaufnahme, Transport und Stoffabgabe.
Der Biochemiker Davis hatte 1958 alle damals bekannten Stoffwechselprozesse analysiert [22]. Dabei entdeckte er, dass praktisch alle Verbindungen mindestens eine funktionelle Gruppe besaßen, die bei physiologischem pH-Wert in ionisierter Form vorlag. Ausnahmen bildeten nur wenige Makromolekülen und Lipide.
Seine Feststellung ist nicht überraschend, wenn man die pKs-Werte der Seitengruppen berücksichtigt. Karbonylgruppen (COO-) weisen einen pKs-Wert um 2 auf, sie sind also bei physiologischem pH-Wert praktisch vollständig negativ ionisiert.
Die ebenfalls polarisierten Zellmembranen weisen auf der Innenseite eine gegenüber außen negative Ladung auf (meist um –90 mV). Diese gegenseitige negative Ladung verhindert durch das Abstoßungsprinzip das Verlassen von essenziellen Molekülen aus dem Zellinneren. So wird z.B. Glucose beim Eintritt in die Zelle zu Glucose-6-Phosphat phosphoryliert und erhält dadurch eine negative Ladung.
Dieses Prinzip hat Davis «Ionic Trapping» bezeichnet. Es ist für die normale Funktion aller Zellen von grundlegender Bedeutung. Jede Veränderung des intrazellulären pH-Milieus wirkt sich auf den molekularen Ionisationsgrad aus und beeinflusst damit automatisch den Stoffwechsel sowie den -austausch.
Auch anderweitig macht sich der Organismus dieses Phänomen zu Nutze. Wichtige Endprodukte des Stoffwechsels sollen ökonomisch ausgeschieden werden und weisen deshalb keine eigenen energiekonsumierenden Transportmechanismen an der Zellmembran auf. Stattdessen werden sie durch Entziehen ihrer Molekularladung ausgeschieden. Das Ionic Trapping ist damit aufgehoben und die Bahn freigegeben für die gradientenabhängige Auswärtsdiffusion. So werden z.B. die im Zitronensäurezyklus entstehenden große Mengen apolaren Kohlendioxyds ausgeschieden. Ein anderes Beispiel ist der ungeladene Harnstoff, mit dem der toxische Ammoniak den Organismus verlässt.
Wegen der enormen Bedeutung für den Säure-Basen-Haushalt sorgt der Organismus mit wirksamen Puffermechanismen für das Stabilisieren des pH-Werts im Blut und Gewebe im physiologischen Referenzbereich. Diese Pufferung ist mit der Steuerung des Elektrolythaushalts eng verflochten. Elektrolyte wie Natrium, Kalium und Chlor sind die eigentlichen Akteure in der primären Steuerung des Säure-Basen-Haushalts. (siehe Kap. 5.4).
Die Leistungsfähigkeit der Puffermechanismen konnte in einem Experiment von Swan and Pitts [95] demonstriert werden. So erhielten Hunde Infusionen von 14.000.000 nmol H+/ Liter Körperwasser. Der pH-Wert des Bluts sank von 7,44 auf 7,14, was einem Anstieg von lediglich 36 nmol/l entspricht. Somit wurden 13.999.964 nmol/l abgepuffert. Dieses Beispiel demonstriert die enorme Pufferfähigkeit von biologischen Systemen.
Grundsätzlich können passive und aktive Puffermechanismen unterschieden werden. :
Ist die passive Pufferung vor allem die Säure-Neutralisierung vor Ort, beinhaltet die aktive Pufferung die eigentliche Säure-Ausscheidung. Klare Grenzen können jedoch nicht gezogen werden, da jede physiochemische Pufferung auf aktive metabolische Vorgänge für die Regeneration angewiesen ist.
Passive Puffer sind lediglich durch ihre Anwesenheit ausgleichend und entsäuern, indem sie freie Protonen an sich binden. Es sei nochmals daran erinnert, dass nur freie, nicht gebundene Protonen den pH-Wert beeinflussen. Je höher die Konzentration der passiven Puffer, umso mehr Protonen können abgefangen werden, umso stärker ist die Pufferkapazität und umso später wird sich eine Säure-Basen-Störung bemerkbar machen. Andererseits ist zu bedenken, dass eine übergroße Pufferkapazität Regulationsmechanismen einschränkt, die über eine Änderung des Säure-Basen-Haushalts gesteuert werden, wie dies z.B. bei der Sauerstoffabgabe aus dem Hämoglobin der Fall ist.
Bei der passiven Pufferung unterscheiden wir die physiochemische und die metabolische Pufferung.
Die physiochemische Pufferung (Tab. 4.4) ist schnell, unmittelbar und effizient, aber durch ihre Konzentration limitiert. Deshalb muss sie permanent regeneriert werden. Dem Organismus stehen dafür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die nachfolgend vorgestellt werden.
Beispiele für die physiochemische Pufferung sind:
Beachte, dass hier das Bicarbonat nicht aufgeführt ist !
Die metabolische Pufferung erfolgt mit chemische Verbindungen, die auf Grund ihrer pKs Werte niemals spontan puffern würden (Somit ist die Bezeichnung Puffer genaugenommen falsch). Dank katalytische Prozesse und Ungleichgewichtsreaktionen sind sie jedoch in der Lage, grosse mengen an Säuren zu auszuscheiden oder zu binden.
Beispiele dafür sind das:
Das Bikarbonat als metabolischer Puffer ist eigentlich ein CO2 Transportsystem. Dieses System ist schnell und effizient. Durch die Kopplung an die Atmung können praktisch unbegrenzte Mengen an flüchtigen Säuren über die Abgabe von CO2 eliminiert werden. Für die Klinik ist dieses System von zusätzlicher Bedeutung, weil es zuverlässige Parameter für die Evaluation des Säure-Basen-Haushalts liefert.
Das Bikarbonatsystem ist ein sogenanntes offenes Puffersystem. Es steht mit der Umgebungsluft in direktem Austausch, ist mit seinem theoretischen «pH-Wert» von 9,6 extrem basisch und kann entsprechend rasch und unerschöpflich CO2 und damit Säuren ausscheiden. Die große Bedeutung dieses Prozesses wird schmerzlich bei einigen Lungenerkrankungen oder bei der Erstickung bewusst (siehe Kap. 6).
= 6,1 + log{ [HCO3-] / [CO2 Luft] }
= 6,1 + log{24 mmol / 0,25mm Hg x 0,03}
= 6,1 + log{24 mmol / 0,0075 mmol}
= 9,6
Als primärer Puffer ist das Bikarbonat offensichtlich mit seinem tiefen pKs-Wert von 6,1 nicht geeignet. Dazu dient das Phosphat. Vielmehr muss man sich die Frage stellen, wie denn das Bicarbonat im Stoffwechsel gebildet wird. Diese erfolgt durch die Hydratisierung des gebildeten CO2 woraus H2CO3 entsteht. Erst dadurch wird aus dem neutralen CO2 überhaupt eine Säure. Das Bicarbonat folgt aus der Deprotonisierung der Kohlensäure, und zusammen mit dem tiefen pKs Wert von 6.1 wird das Milieu angesäuert. Fast jedes Bikarbonat im Organismus war ursprünglich ein Kohlensäuremolekül. Bei pH = 7,4 gibt die Säure sofort ein Proton ab, woraus dann das Bikarbonat hervorgeht. Deshalb ist die Bikarbonatkonzentration im Blut 20-mal größer als die der Kohlensäure.
Es ist nicht nur das Kohlensäuresystem, welches den pH-Wert bestimmt, sondern der pH-Wert bestimmt ebenso die Dissoziation der Kohlensäure. Dies trifft sinngemäss für alle Säure-Basen-Reaktionen im Organismus zu.
Die permanente Abatmung von CO2 und damit der Abfall des CO2-Partialdruckes in der Lunge senkt sowohl die Blut-Konzentration der Kohlensäure wie auch die des Bikarbonats, wodurch das Blut alkalischer wird. Die dazu benötigten Protonen ( HCO3- + H+ ) stammen einerseits aus dem Plasma und andererseits aus dem Hämoglobin im Rahmen der Oxygenierung (siehe Kap. 5.1).
Die Effizienz dieses Systems ist auf das zinkabhängige Enzym Karboanhydrase angewiesen. Ohne dieses wäre die CO2-Hydratation zu Kohlensäure oder deren Freisetzung durch Dehydratation in der Lunge unzureichend und lediglich zurückzuführen auf die Blutlöslichkeit des CO2. Die Karboanhydrase ist in der Lage, pro Einheit 400.000 Kohlensäuremoleküle in der Sekunde umzusetzen [51]. Trotz dieses zunächst gross erscheinenden Umsatzes ist sie jedoch wesentlich ineffizienter als ein Puffersystem, welches enzymunabhängig ist, wie dies z.B. beim Phosphat der Fall ist.
Das Bikarbonatsystem wäre entsprechend seinem pKs-Wert von 6,1 bei einem Blut-pH-Wert von 6,1 ausgeglichen (Abb. 4.1). Damit liegt nahe, dass der physiologische pH-Wert von 7,4 nicht allein durch das Bikarbonatsystem erzeugt werden kann.
Mit dem tiefen pKs-Wert von 6,1 ist das Kohlensäuresystem ein denkbar schlechter Puffer und schützt als Säure vielmehr vor der Alkalose als vor der Azidose. Deshalb kann das Bikarbonat korrekt nicht als Base, sondern als „saures Anion“ bezeichnet werden, analog zu anderen organischen Säuren wie z.B. dem Laktat oder den Ketosäuren.
Da sich das Bikarbonat im Zähler («Base») der Henderson-Hasselbach’schen Gleichung aufgeführt wird, resultiert daraus Verwirrung: Dadurch wird es (scheinbar) für die Alkalinität des Milieus verantwortlich. Dies trifft aber nur insofern zu, als dass das saure Bikarbonatanion als Folge und nicht als Ursache des basischen Milieus angesehen werden darf. Theoretisch könnte die Henderson-Hasselbach’sche Gleichung mit beliebig anderen Säure-Basen-Pärchen berechnet werden, bspw. Laktat/Milchsäure usw. Das Bikarbonat-/Kohlensäuresystem wird lediglich verwendet, weil es am einfachsten zu analysieren ist.
Abb. 4.1 Titrationskurve der Kohlensäure mit einer starken Base. Zu erkennen ist die optimale Pufferzone beim pKs-Wert von 6,1, die deutlich vom Blut-pH-Wert abweicht.
Das Phosphatmolekül ist mit seinen drei Säureprotonen eine sogenannte polyprotische Säure. Bei physiologischem Blut-pH-Wert ist es vor allem als HPO42- -Ion vertreten und der pKs-Wert liegt - je nach Messverfahren und Literaturquelle - knapp darunter bei 6,9 – 7,2 (Abb. 4.2). Somit ist das Phosphat das erste Aufnahmegefäß für Protonen, im Gegensatz zum Bikarbonat mit einem pKs-Wert von 6,1.
Noch deutlicher wird dies in der Zelle, wo der pH-Wert von 6,9 – 7,0 praktisch mit dem pKs-Wert von Phosphat identisch ist. Damit wird das Phosphat zu einem optimalen physiochemischen intrazellulären Puffer. Extrazellulär dagegen hat das Bikarbonat die größere Bedeutung, da die Pufferkapazität von Phosphat hier konzentrationsbedingt limitiert ist.
Abb. 4.2 Titrationskurve der Phosphorsäure mit einer starken Lauge. Zu erkennen ist die optimale Pufferzone bei einem pKs-Wert von 6.9, die mit dem intrazellulären pH-Wert praktisch identisch ist und nicht mehr so weit weg ist vom Blut-pH.
Durch die Aufnahme eines Protons bildet sich aus dem Phosphat das Dihydrogenphosphat, welches wiederum wichtige Stoffwechselfunktionen erfüllt. So ist es z.B. im Gegensatz zum Hydrogenphosphat in der Lage, die innere Membran der Mitochondrien zu passieren, um der ATP-Synthetase essenzielle Phosphatgruppen zuzuführen (siehe Kap. 4.6).
Phosphat erfüllt als Baustein von z.B. ATP, Kreatinphosphat, Phosphatiden und Nukleinsäuren eine Vielzahl von weiteren lebenswichtigen Aufgaben. Als phosphoryliertes Stoffwechselzwischenprodukt ermöglicht es erst manche Reaktionen. Durch den hohen pH-Wert im Blut gegenüber der Zelle ist das Phosphat extrazellulär hauptsächlich als HPO42- vertreten. Dadurch wird seine Fähigkeit, über die Niere Säure auszuscheiden, erst ermöglicht.
Die Versorgung mit Phosphat ist in der Regel problemlos gewährleistet, da dieses wichtige Molekül in sehr vielen Lebensmitteln ausreichend vorkommt. Reguliert wird es durch das Parathormon. Dieses senkt seine Konzentration, Vitamin D dagegen erhöht sie durch die Verstärkung der Phosphatresorption im Darm. Die Konzentration von Phosphat unterliegt auch der renalen Kontrolle. Parathormon und Vitamin D steigern einerseits die renale Ausscheidung, andererseits wird sie durch STH, Thyroxin, Insulin und Cortisol gehemmt.
Im Vergleich mit dem Bikarbonat, dessen Pufferfähigkeit auf die Aktivität der Karboanhydrase angewiesen ist und zudem ein physiologisches Ungleichgewicht benötigt, puffert Phosphat spontan. Im eigentlichen intrazellulären metabolischen Schauplatz ist der Stoffwechsel auf eine unmittelbare rasche Pufferung ohne hemmende und kontrollierende enzymatische Intermediärvorgänge angewiesen. Hingegen steht im Extrazellulärraum weniger die Pufferung als vielmehr der säureeliminierende Transfer nach außen im Vordergrund. Dieser wird erst durch das Ungleichgewicht des Bikarbonates fernab seines pKs-Werts ermöglicht.
In Zusammenhang mit dem Säure-Basen-Haushalt sind die Aminosäuren mit Seitenketten mit sauren und basischen Eigenschaften von besonderem Interesse. Der Grundbaustein jeder Aminosäure besitzt eine saure Karboxyl- und eine basische Aminogruppe, deren Säurestärke als pKs 1 respektiv pKs 3 ausgedrückt wird. Diese bewegen sich bei allen Aminosäuren in der gleichen pH-Region und sind so weit vom physiologischen pH-Wert entfernt, dass diese Gruppen fast ausschließlich in ionisierter Zwitterform vorliegen. Dank diesen Ladungen sind Aminosäuren wasserlöslich und werden über das „Ionic Trapping“ in den Zielzellen festgehalten (siehe Kap. 4.4.8).
Der pKs 2 gibt die Säurestärke der funktionellen Seitenkette an und entscheidet, ob eine Aminosäure als sauer oder basisch einzustufen ist. Wie bereits im Kap. 4.4.6 dargestellt, ist auch hier die Distanz zum physiologischen pH-Wert relativ groß. Somit üben die meisten Aminosäuren nur eine bescheidene Pufferwirkung aus.
Eine sehr interessante Aminosäure ist in diesem Zusammenhang das Histidin (Abb. 4.3). Es ist mit seinem Imidazolring und seinem pKs 2 von 6,0 (und im Molekularverbund 6,5 – 7,5) für die Pufferung von enormer Bedeutung. Imidazol ist eine fünfgliedrige heterozyklische aromatische organische Verbindung mit zwei Stickstoffatomen. Diese Eiweiß-(Histidin-)pufferung ist nicht nur für die intrazelluläre Homöostase und den Sauerstofftransport wichtig, sondern auch entscheidend für Transportfunktionen der Zell- und Organellenmembranen. Membranproteine werden dank Histidin in die Lage versetzt, Protonen „wie auf Schienen“ durch Membranstrukturen durchzuschleusen (Protonen-Leiter).
Wegen dem deutlichen Unterschied zwischen den pKs-Werten und dem physiologischen pH-Wert werden die Aminosäuren im Regelfall auch in ihrer ionisierten Form aufgenommen. Sie bringen somit die Ladungen gleich mit. Saure Aminosäuren liefern mit ihren negativen Karboxylgruppen „Protonenlöcher“ und die basischen Aminosäuren mit den Aminogruppen überschüssige Protone. Deshalb reagieren bei der Substratoxidation basische Aminosäuren funktionell sauer und vica versa.
Es muss somit grundsätzlich unterschieden werden, ob eine Aminosäure lediglich in ihrer Form vorliegt oder dem Stoffwechsel unterliegt und dadurch Protonen zusätzlich abgibt oder aufnimmt. Je nachdem wird aus der Säure eine Base und umgekehrt. Bei den nicht essenziellen Aminosäuren, sofern sie im Organismus synthetisiert und abgebaut wurden, wird dadurch der Effekt auf den Säure-Basen-Haushalt aufgehoben. Einzig das basische Lysin muss von außen zugeführt werden. Wird Lysin substratoxidiert, spricht man von einer Netto-Ansäuerung (es werden zusätzliche Protonen aus dem Abbauvorgang freigesetzt). Tatsächlich stammt ein Hauptteil der anfallenden Säuren durch Fleischnahrung von den basischen Aminosäuren.
Will man entsprechend mit Aminosäuren den SBH beeinflussen , müssen basische Aminosäuren bei einer Alkalose und saure Aminosäuren bei der Azidose eingesetzt werden, analog der Behandlung mit NaLaktat. Diese Behandlung setzt eine gesund funktionierende Leber voraus. Die übliche Dosierung der Aminosäuren beträgt 500 – 1000 mg täglich.
Das Hämoglobin ist eines der am besten untersuchten humanen Proteine. Formal besteht es aus dem Häm, dem eigentlichen sauerstoffbindenden Porphyrinkomplex und dem Eiweiß Globin. In seinem Zentrum ist ein Eisen-II-Ion positioniert. Vier Ligandenbindungen entstehen mit den Stickstoffen des Pyrrolrings der Porphyringruppe, unterhalb befindet sich ein proximales Histidin. Auf der Oberseite wird das Sauerstoffmolekül zwischen dem Häm und dem sogenannten distalen Histidin gebunden.
Die Affinität zu Sauerstoff ist durch allosterische Eigenschaften regulierbar, was sich im Bohr-Haldane-Effekt ausdrückt [51]. Im Unterschied zum Sauerstoff-Trägerprotein Myoglobin mit nur einer Eiweißgruppe bindet das Hämoglobin mit seinen vier Gruppierungen außer Sauerstoff noch H+ sowie CO2, die die Bindungsaffinität zu Sauerstoff steuernd vermindern. Auf diese Weise wird die Bindungsstärke des O2 pH-abhängig. Neben einer steigenden Wasserstoffionenkonzentration fördert somit auch eine steigende CO2-Konzentration die O2-Abgabe.
Desoxyhämoglobin (D-Hb) weist einen pKs-Wert von 8,25 auf, es ist eine starke Base. Entsprechend nimmt D-Hb im Austausch mit Sauerstoff Protonen auf und wird somit zu einer „Säure in Warteposition“. Umgekehrt wird in der Lunge das Hämoglobin im Austausch für Sauerstoff die Protonen wieder abgeben. Diese lässt das Oxyhämoglobin (Abb. 5.10) als Säure mit einem pKs von 6,0 – 6,9 imponieren, ist jedoch funktionell eine „Base in Warteposition“. Durch diesen Protonentransport von den Zellen zur Lunge zwecks Ausscheidung nimmt das Hämoglobin einen ähnlichen Stellenwert wie das Bikarbonat als Puffer ein.
Bekanntlich ist der pH-Wert eines Systems temperaturabhängig. Trotzdem muss nicht nur bei Warmblütlern, sondern insbesondere auch bei Kaltblütlern der pH-Wert stets um den neutralen Wert von pH = 7 pendeln. Diese Tatsache übersteigt das Kompensationsvolumen eines reinen Säure-Puffersystems.
Dafür bedarf es weiterer Stabilisierungsmechanismen, zu denen das multifunktionelle Histidin wesentlich beiträgt. Es ist nämlich in der Lage, seinen Dissoziationsgrad („Alpha“) von 0,55 durch eine temperaturabhängige Veränderung des pKs-Werts konstant zu halten [81]. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist zudem ein beständiger CO2-Gehalt. Die CO2-Löslichkeit nimmt aber bei sinkender Temperatur ansäuernd zu. Entsprechend müsste die Ventilation für eine adäquate CO2-Elimination gesteigert werden, aber die Abkühlung an sich bewirkt bereits eine kompensierende Alkalisierung. Ebenfalls verlangsamt sich bei sinkender Temperatur der Stoffwechsel, wodurch weniger CO2 produziert wird. Per Saldo steigt somit die effektive Ventilation nur gering. Es wird angenommen, dass das Atemzentrum und entsprechende Rezeptoren auch durch Proteine mit hohem Histidinanteil, die dadurch auf den Alpha-Stat-Mechanismus reagieren, reguliert werden [75; 76; 81; 80].
Bei der Analyse des Säure-Basen-Haushalts muss dieser Alpha-Stat-Mechanismus zumindest gedanklich präsent sein, um bei Plethorikern oder im Falle von Fieber mit wesentlich höherer Kerntemperatur (falsch) alkalotische Werte (Messtemperatur tiefer als Patiententemperatur) und bei den kalten Sanguinikern (falsch) azidotische Werte (Messtemperatur höher als Patiententemperatur) richtig zu interpretieren.
Vergleichende Darstellung der verschiedenen physiochemischen Puffersysteme
passiv | aktiv | offenes System | geschlossenes System | extrazellulär | intrazellulär | |
Phosphat | XXX | X | XXX | X | XXX | |
Bikarbonat | X | XXX | XXX | XXX | X | |
Hämoglobin | X | X | XX | X | ||
Proteine | X | X | XX |
Stoffwechselprozesse erzeugen nicht nur Protonen, sondern konsumieren diese auch. Durch allosterische Beeinflussung der Enzyme sowie anderer Proteine werden stets Reaktionen bevorzugt, die das lokale Säure-Basen-Gleichgewicht wieder kompensieren.
Theoretisch sind auch die renalen und hepatischen Säure-Basen-Kompensationsmechanismen hier einzureihen.
Die respiratorische Pufferung kann als eine aktive bezeichnet werden, da sie auf die Leistung der Atemmuskulatur angewiesen ist. Die basale Säureausscheidung via CO2 ist mit ihren 12.000 mmol/Tag (Vergleich Nieren: 100 mmol/Tag) enorm. Zudem kann die Leistung im Bedarfsfall auf 20.000 mmol/Tag gesteigert werden.
Wird bei der physiochemischen und metabolischen Pufferung vor allem lokal ausgeglichen, wirkt sich die respiratorische Pufferung simultan auf alle Zellen aus, da sich der CO2-Parzialdruck im gesamten Organismus gleichzeitig verändert. Durch die gute Lipidlöslichkeit und damit Membrandurchlässigkeit ist dieser Parzialdruck dem Pegel eines Sees vergleichbar, der sich an allen Ufern gleich auswirkt.
Wird die Ventilation beschleunigt, sinkt das CO2, und damit wird weniger Säure produziert. Auch der Gehalt an Bikarbonat in allen Zellen sinkt, was eine respiratorische Alkalose zur Folge haben wird. Durch den Bikarbonatverlust vermindert sich die Pufferkapazität. Dem umgekehrten Sachverhalt begegnet man bei der respiratorischen Azidose mit entsprechender CO2 - und Kohlensäure-Zunahme in allen Zellen. Damit steigt ebenso der Bikarbonatpegel an und erzeugt eine Azidose bei gesteigerter Pufferkapazität.
Lebende Organismen bestehen aus einer gewaltigen Ansammlung von Molekülen in höchster Ordnung und damit geringster Entropie. Andererseits streben alle natürlichen Prozesse eine maximale Entropie und damit Unordnung an. Um entgegen diesem Trend Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten, sind Organismen auf eine ausreichende Produktion von energiereichen Biomolekülen angewiesen.
In erster Linie besteht diese Energiewährung aus dem Adenosintriphosphat oder ATP. Seine Hauptaufgabe ist die Aufnahme und Weitergabe von Energie, aber auch im Bedarfsfall deren Konservierung. Es hält durch seine Eigenschaften hochgradig organisierte Strukturen aufrecht, baut sie aber auch für die Synthese von Zellbestandteilen kontrolliert ab. Außerdem ermöglicht es Bewegung und erzeugt elektrische Potenziale und Wärme. Somit wird die Bioenergetik als die quantitative Untersuchung der Energieumwandlungen in lebenden Zellen und der chemischen Prozesse definiert, die diesen Umwandlungen zugrunde liegen [51]. Der Hauptschauplatz dieser Prozesse ist sind die das Mitochondrien.
Es gilt inzwischen als erwiesen, dass Mitochondrien aus Cyanobakterien hervorgingen, denen es im Laufe der Evolution gelang, aus der Verstoffwechslung von Sauerstoff Energie zu gewinnen. Durch ihre Symbiose mit anderen Einzellern (Endosymbiontentheorie) stand plötzlich Energie im Überfluss zur Verfügung. Waren die Zellen bis dahin in der Lage, pro Glucosemolekül zwei ATP zu erwirtschaften, wurden es jetzt 38 ATP. Zudem konnten sie jetzt auch Fette und Aminosäuren verbrennen. Dieser Umstand leitete hohe organische Ordnungsgrade, diffenziertes Zellwachstum und damit die Vielzellerrevolution ein.
In diesen kleinen, nur ca. 1 um großen Organellen liegen alle für die ATP-Synthese notwendigen katabolen Stoffwechselvorgänge kompakt zusammen. Dazu gehören
Diese Abbauvorgänge (Verlust der Substratordnung) erfüllen alle den Zweck der Freisetzung von Elektronen, die ihre Energie - gleich Elektrizität an einen Elektromotor - an chemische Reaktionen weiterreichen. In den Mitochondrien wird damit über das Elektronentransfersystem die oxidative Phosphorylierung, die eigentliche ATP-Synthese, energetisch versorgt.
Die Hülle der Mitochondrien besteht aus zwei Membranschichten: Die äußere ist durch ihren Gehalt an speziellen Durchlassmolekülen, den Porinen praktisch für fast alle Stoffe durchlässig. Die innere Membran lässt dagegen nur mit aktiven Transportmechanismen selektiv Stoffe passieren.
4,3 Mitochondrium Schema Durchlässigkeit der Membranen
Das Prinzip der ATP-Produktion ist einfach und genial: Reduktionsäquivalente (NADH) aus der Glykolyse bzw. dem Zitratzyklus beliefern die mitochondriale Matrix mit Elektronen, die ihrerseits einen auswärtsgerichteten Protonentransporter antreiben. Dadurch entsteht ein Protonendruckgefälle von außen nach innen (Protonen-motorische Kraft [PMK]). Diese potenzielle Energie wird dann durch das erneute Eindringen der Protonen durch die Mitochondrienmembran in kinetische Energie umgewandelt. Dadurch wird die ATP-Synthetase zur ATP- Produktion angeregt. So wie Verbrennungsmotoren toxische Abgase produzieren, erzeugen diese chemischen Vorgänge an der inneren Mitochondrienmembran gleichzeitig den sogenannten Singulettsauerstoff, das entscheidende Molekül in der Entwicklung des oxidativen Stresses.
4.4 Schema der Energiegewinnung
Durch das Hinauspumpen von Protonen aus den Mitochondrien wird in der intramitochondrialen Matrix ein alkalischer pH-Wert um 8 erzeugt bzw. perimitochondrial angesäuert. Dies ist nicht nur für die PMK zur ATP-Synthese notwendig, sondern sorgt gleichzeitig für ein ausreichendes Reservoir an Dihydrogenphosphat, indem das reichlich vorhandene basische Hydrogenphosphat die Protonen aufnimmt. Nur das H2PO4- kommt nämlich als Phosphatlieferant für die Umwandlung von ADP zu ATP in Frage, da es im Gegensatz zum basischen Hydrogenphosphat die innere Mitochondrienmembran passieren kann.
Doch einer der größten funktionellen Puffer ist das ADP selbst. Bei jeder Umwandlung zu ATP wird ein Proton neutralisiert und bei ATP-Verbrauch wieder freigesetzt. Dieses wird aber sofort durch Hydrogenphosphat aufgefangen und steht dadurch wieder sofort der ATP-Regeneration zur Verfügung.
Diese Zusammenhänge stellen extreme Entsäuerungsrituale in Frage. Alkalosen hemmen nicht nur die Sauerstoffabgabe an die Zelle, sondern auch den Pyruvattransport in die Mitochondrien, der auf einen ausreichenden Protonen-Kotransport angewiesen ist. Die Alkalisierung des Zellmilieus ist theoretisch auch in der Lage, sowohl zumindest kurzfristig die PMK wie auch die Konzentration des notwendigen mitochondrialen Dihydrogenphosphates zu reduzieren. Andererseits beruht wahrscheinlich ein Teil des entzündungshemmenden Effektes einer Entsäuerung auf diesen Tatbestand. Eine chronische Azidose führt auch zu einer gesteigerten renalen Ausscheidung von Kalzium. Kalziumabzug aus den Zellen kann das Membranpotential der Mitochondrien bedenklich erhöhen, wodurch vermehrt Superoxidradikale gebildet werden. Hier kann eine Entsäuerung möglicherweise die mitochondriale Kalziumhomöostase normalisieren.
Die wichtigste Funktion des Bluts ist der Transport von Stoffen. Es ist damit entscheidend für die zelluläre Versorgung sowie für den Abtransport von ausscheidungspflichtigen Substanzen. Verschiedene lebensnotwendige Prozesse können hier ökonomisch verknüpft werden.
Die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff und Glucose muss in einem kontrollierten Gleichgewicht zusammen mit der Abgabe von CO2 ablaufen. Durch die Einbeziehung der Löslichkeit von Sauerstoff im Blut wird dies deutlich: Sauerstoff ist im Plasma praktisch unlöslich. 1000 ml Blut mit ca. 400 ml Hämoglobin trägt 200 ml Sauerstoff. Würde das Blut dieses gefährliche Gut unkontrolliert abstoßen, wären bedrohliche Luftembolien die unvermeidliche Folge. Entsprechend darf der Sauerstoff nicht einfach abgegeben, sondern muss vom Gewebe geregelt geholt werden. Dies erfolgt über Mechanismen, die gleichzeitig der Säure-Basen-Regulation dienen.
Störungen des Säure-Basen-Haushalts haben einen signifikanten Einfluss auf die Sauerstofftransportfähigkeit des Bluts. Die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Hämoglobin als quartäres (zusammengesetztes) Protein weist allosterische Effekte auf. Durch die Bindung mit anderen Molekülen wird die Sauerstoffabgabe beeinträchtigt. Die Sauerstoffdissoziationskurve (SDK) wird dadurch nach links oder rechts verschoben, der sogenannte Bohr-Haldane-Effekt.
5.1 Sauerstoffdissoziationskurve/Bohr-Haldane-Effekt
Die Verschiebung der SDK wird von verschiedenen Parametern bestimmt: Eine Rechtsverschiebung wird durch eine Senkung des pH-Wertes und Erhöhung sowohl der Temperatur wie auch des Kohlendioxydparzialdrucks hervorgerufen. Diese Veränderungen finden sich vor allem in den unterschiedlichsten stoffwechselaktiven Geweben, wodurch Sauerstoff gezielt freigesetzt wird. Das Gegenteil ist in den Lungen anzutreffen, wodurch die SDK wieder nach links verlagert wird.
2,3 Diphosphoglyzerat (2,3 DPG) ist ebenfalls ein Molekül, welches eine Verschiebung der SDK nach rechts induziert. Vor allem bei der Schwangerschaft ist dieser Vorgang entscheidend, damit der Fötus genügend Sauerstoff über die Plazenta erhalten kann (fötales Blut bindet 2,3, DPG schlechter und ist dadurch O2-affiner). 2,3, DPG ist gleichzeitig ein basales Stellglied der SDK. Bei chronischen Störungen des Säure-Basen-Haushalts, bei der eine akute Kompensation nicht mehr gewünscht ist, verändert sich die 2,3 DPG-Konzentration so, dass die SDK trotz permanenter Abweichung im Säure-Basen-Haushalt wieder einen physiologischen Mittelwert einnimmt. Über die Produktion von 2,3, DPG innerhalb der Glykolyse soll auf entsprechende Biochemiebücher verwiesen werden.
Kohlendioxyd wird sowohl bei der Umwandlung von Pyruvat zu Acetyl-CoA wie auch bei der Synthese von NADH im mitochondrialen Zitratzyklus gebildet. Dieses CO2 diffundiert dank seiner absoluten Symmetrie und fehlender Ionenladung als vollkommen apolares Molekül rasch aus der Zelle in das Blut. Dort kann es verschiedentlich reagieren: Kohlendioxyd ist im Plasma schwach löslich und trägt dadurch zur Kohlensäurekonzentration bei. Es kann aber auch intraerythrozytär gebunden werden. Dabei lagert es sich entweder an das N-terminale Ende des Globinmoleküls an, wodurch eine Karbaminogruppe gebildet oder das CO2 wird die Einwirkung der erythrozytären Karboanhydrase in Kohlensäure umgewandelt. Diese dissoziiert und die freiwerdenden Protonen lagern sich an den freien Histidinmoleküle des Oxy-Hämoglobins an. Diese Pufferung stabilisiert einerseits den Blut-pH-Wert und erleichtert andererseits die Sauerstofffreisetzung.
Das durch die Kohlensäuredissoziation erzeugte Bikarbonat wird in Austausch für Chloridionen (Antiporter) nach außen geleitet. Damit wird einerseits das Milieu in den Erythrozyten saurer (Chlorid ist wesentlich saurer als Bikarbonat) und andererseits das Plasma basischer. Die Plasma-Pufferkapazität nimmt zu.
Die Säure trennt sich in verschiedenen Kompartimenten auf, die Kohlensäure tritt im Plasma eigentlich nur als Base in Erscheinung (Abb. 6.2). Das Bikarbonat wird im Plasma angehäuft und das dazugehörige Proton bleibt in den Erythrozyten zurück, wo die eigentliche Ansäuerung durch die Kohlensäure stattgefunden hat. Dadurch kann der benötigte Sauerstoff aus dem Hämoglobin erleichtert freigesetzt werden. Bei einer Anhäufung von Bikarbonat in den Erythrozyten würde sich deren Milieu alkalisieren bzw. das viele Bikarbonat würde die Karboanhydrasereaktion nach dem Gleichgewichtsprinzip verlangsamen und damit die weitere Sauerstoffabgabe erschweren (Linksverschiebung der SDK).
Abb. 5.2 Kohlendioxyd-Stoffwechsel Zelle/Erythrozyt/Plasma bei ausreichendem Sauerstoff. Die Pfeile signalisieren eine Alkalisierung des Plasmas sowie eine Ansäuerung im Erythrozyten (stark vereinfacht).
Durch den fehlenden Sauerstoff wird bei anerobem Stoffwechsel vermehrt Laktat erzeugt. Diese Milchsäure wird mit einer äquivalenten Menge Kalium aus der Zelle geschleust und reduziert durch die Verdrängung von Bikarbonat die Pufferkapazität im Plasma. Gleichzeitig fehlt das CO2-Signal, um Sauerstoff aus den Erythrozyten freizusetzen. Die Pufferkapazität in den Erythrozyten bleibt hoch. Anderseits kann eine Azidose die SDK wieder nach rechts verlagern, wodurch der aerobe Stoffwechsel wieder gefördert wird.
Abb. 5.3 Stoffwechsel zwischen Zelle/Erythrozyt/Plasma bei ungenügendem Sauerstoff-Angebot. Die Pfeile signalisieren eine Ansäuerung des Plasmas wie eine Alkalisierung im Erythrozyten (stark vereinfacht).
Die oben erwähnten Vorgänge zeigen deutlich, dass der Sauerstoffumsatz die Pufferkapazität sowohl in den Erythrozyten wie auch im Plasma beeinflusst. Zur genaueren Überprüfung wurden bei fünf gesunden Probanden arterielle und venöse Blutproben entnommen und die Pufferkapazitäten gemessen.
Diese Untersuchung der Pufferkapazität konnte ausnahmslos diesen Sachverhalt bestätigen. Im arteriellen Blut ist das Plasma saurer und im intrazellulären Erythrozytenmilieu basischer, im venösen Blut ist das Verhalten umgekehrt.
Abb. 5.4 Plasmapuffer nimmt in den venösen Proben (rechts) zu.
Abb. 5.5 Die Pufferkapazität nimmt in den Erythrozyten von arteriell nach venös (rechts) ab.
Abb. 5.6 Die Säurebasendynamik Säure-Basen-Dynamik des Blutes gleicht damit einer doppelten, um 180 Grad phasenverschobenen Sinuskurve.
MA = Plasmapuffer (PP)/Vollblutpuffer (IEP 100 %) x 100
IEP 100 % = Intraerythrozytärpuffer bei standardisiertem Hämatokrit von 100 %
Je größer das Verhältnis PP/IEP, umso intensiver ist der theoretische Sauerstoffumsatz. Interessant ist die Tatsache, dass bei tieferem arteriellen MA auch der venöse MA tendenziell niedriger ist. Das erlaubt die Messung der MA auch im venösen Blut - S. EPOC.
In der Klinik konnte mehrfach beobachtet werden, wie systemische entzündliche Prozesse mit einem erhöhten MA einhergingen. Gleichzeitig kann aber eine hohe hohe MA bedeuten, dass die Energiereserven niedrig bzw. erschöpft sind. Schwere degenerative Krankheiten wie fortgeschrittene Tumore wiesen dagegen eher niedrige Werte auf. Tiefe MA können andererseits bei Gesunden höhere Energiereserven signalisieren.
Interessant ist, dass sich dieser Wert meist bei chronischen pathologischen Prozessen in einer engen Bandbreite bewegt. Vermutlich wird dies unter anderem durch die Konzentration von 2,3, DPG mitreguliert. Entzündliche Prozesse sind beschleunigte Prozesse mit einem klaren kurzfristigen Auftrag und bedürfen eines erhöhten Sauerstoffumsatzes. Chronizität setzt ein, wenn die Heilung nicht nach einer bestimmten Zeit eintritt. Die entzündliche Aktivität wird dann wieder gesenkt und eventuell sogar in einen degenerativen Stoffwechsel hineinmanövriert. Diese Veränderung könnte durchaus mit dem regulatorischen 2,3, DPG mitgetragen werden.
Ein gesteigerter Stoffwechsel bzw. die mitochondriale Energieproduktion setzt einen ausreichenden Vorrat an verfügbaren intrazellulären Protonen voraus. Daraus lässt sich ableiten, dass eine hoher MA unter Umständen eine intrazelluläre Azidifizierung signalisiert und im Gegensatz dazu tiefe eher alkalotische intrazelluläre Zustände. Dadurch findet gleichzeitig eine Säure-Basen-Regulation statt: Säure in der Zelle fördert einerseits die saubere, säurefreie aerobe Energieproduktion und andererseits wird eine intrazelluläre Alkalose die anaerobe ATP-Gewinnung und damit die ansäuernde Laktatbildung bevorzugen.
Die Lungen als offenes Puffersystem sind für die Homöostase des Säure-Basen-Haushalts entscheidend, denn über die Respiration wird die größte Säuremenge ausgeschieden. Bei einem gesunden Menschen sind das 12.000 mmol Bikarbonat/Kohlensäure in Form von CO2. Dies entspricht 200 ml CO2/Minute oder 288 Liter/Tag. Bei körperlicher Aktivität kann diese Menge auf das Doppelte ansteigen.
Wäre die Lunge nicht ein offenes System, würde die meisten Anstrengungen schon zum Tode führen. Die Tab. 5.1 gibt eine Übersicht über den Blut-pH-Wert in einem geschlossenen bzw. offenen System bei einer körperlichen Aktivität, die 4 mmol Säure erzeugt hat.
Tab. 5.1 Blut-pH-Wert vor und nach einer körperlichen Anstrengung im geschlossenen und offenen System
4 HCO3- + 4 H+ = 4 H2CO3 | |||
Geschlossenes System | Offenes System | ||
Vorher | Nachher | Nachher | |
HCO3- | 24 | 20 | 20 |
CO2 | 1,2 | 5,2 | 1,2 |
pH | 7,4 | 6,68 | 7,32 |
In einem geschlossenen System, bei dem das Bikarbonat lediglich als Puffer wirken würde, käme es zu einem drastischen Abfall des pH-Werts auf ein nicht mehr mit dem Leben zu vereinbarenden Niveaus. Nur durch die Eigenschaft des offenen Systems, CO2 abatmen zu können, fällt der tatsächliche pH-Wert-Unterschied sehr gering aus.
Die rasche Abgabe von Kohlendioxyd wird neben der hohen Lipidlöslichkeit dadurch ermöglicht, dass in der Aussenluft ein pCO2 von 0.25mm Hg herrscht im Vergleich zu 40 mm Hg im Lungenkreislauf. Dieser Gradient erzeugt zudem eine permanente basale Diffusion von CO2 nach außen und schafft damit das notwendige Ungleichgewicht mit tiefem pCO2, wie sie in der Henderson-Hasselbach’schen Gleichung anzutreffen ist.
Diese Henderson-Hasselbach’sche Gleichung weist ebenfalls auf die wichtigsten Organe des Säure-Basen-Gleichgewichts hin, die Nieren und die Leber (HCO3- im Zähler) sowie die Lungen (CO2 im Nenner).
Dadurch, dass im Verhältnis zum im Zähler der Gleichung stehenden Bikarbonat im Nenner eine kleine Variable (CO2) vorkommt, wird der pH-Wert durch minimale pCO2-Schwankungen empfindlich verändert. Subjektiv bekommt man dies bei Atemnot besonders zu spüren. Interessanterweise ist dies bei Sauerstoffmangel jedoch nicht der Fall. Sauerstoffmangel z.B. beim Abfall des Kabinendrucks im Flugzeug führt zu einer Bewusstlosigkeit ohne vorangehende Atemnot. Daraus lässt sich ableiten, dass es vor allem das CO2 und nicht der Sauerstoff ist, welches die Atmung durch zentrale und periphere Chemorezeptoren steuert. Diese geben ihre Signale an das Atemzentrum in der die Atemmuskulatur regulierenden Medulla oblongata weiter.
Interessant ist, dass viele Personen kalte Luft als atmungserleichternd empfinden. Möglicherweise ist dieses Gefühl auch auf die kältebedingte Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve zurückzuführen. Gleichermaßen wird warme Luft die SDK nach rechts verschieben und die Versorgung erschweren (Hitze, Sauna).
Die Lungen selbst verfügen über keine Muskelfasern. Die durch die Muskulaturaktivität erzeugte Milchsäure und Wärme würde die SDK nach rechts verschieben und die Sauerstoffaufnahme massiv erschweren.
Obwohl die Nieren im Vergleich zu den Lungen erheblich weniger Säure eliminieren müssen, nämlich ca. 1 % der Gesamtsäuremenge, ist die Ausscheidung anfälliger. Dies liegt unter anderem daran, dass die Nieren nicht flüchtige „schwerfällige“ Säuren ausscheiden müssen. Ihre Funktion ist im Gegensatz zu anderen Ausscheidungsorganen differenzierter, da die Säureausscheidung mit der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes engstens verbunden und zudem hormonell mitgesteuert ist. Täglich wird von ihnen eine H+ -Menge von ca. 1 mmol/kg Körpergewicht ausgeschieden, was 100.000.000 nmol pro Tag entspricht. Wegen der im starken Kontrast dazu sehr geringen Blutsäurekonzentration von lediglich 40 nmol müssen die Nieren eine intensive Konzentrierungsarbeit vollbringen, die sehr viel Energie erfordert. Die Lungen scheiden im Gegensatz dazu einfacher aus, da sie entlang eines Protonengefälles und nicht dagegen arbeiten können. Die renale Säureausscheidung und verwandte Mechanismen sollen im Folgenden erläutert werden.
Das glomeruläre Primärfiltrat beträgt 70 – 120 ml/min, entsprechend 180 l/Tag und ist damit eigentlich genauso wie das Blutplasma zusammengesetzt. Lediglich die Proteine werden in der Blutbahn zurückgehalten. Entsprechend groß ist nicht nur die notwendige Rückresorption von Wasser sondern auch der übrigen vitalen Komponenten. Diese „Volumenarbeit“ erfolgt vor allem in den Anfängen der ausleitenden Gefäße, im proximalen Tubulus. Im Anschluss daran, nach der Henle-Schleife im distalen Tubulus und dem Sammelrohr wird die Konzentrierungsarbeit ohne wesentliche Volumenverschiebung geleistet.
Abb. 5.8 Schematische Säure-Ausscheidungsarbeit der Nieren.
Kapazität = Volumen-Rückgewinnung
Gradient = Konzentrierung
Die Hauptfunktionen der Nieren hinsichtlich des Säure-Basen-Haushalts sind:
Täglich werden ca. 400 g Natriumbikarbonat im Primärfiltrat ausgeschieden. Davon werden im proximalen Tubulus ca. 85 % – 90 % zurückgewonnen. Dieser Prozess wird einerseits durch das Hormon Angiotensin II beschleunigt, andererseits einem CO2-Anstieg im Blut sowie einer Zunahme der Harnflussrate und dessen Konzentration an Bikarbonat. Andererseits hemmt das Parathormon diesen Prozess.
Die Rückgewinnung von Bikarbonat beginnt im Tubuluslumen, indem ein Proton für ein Natriumion ausgetauscht wird. Das Proton bindet an das im Urin vorhandene Bikarbonat. Die Mikrovilli der Zellen im proximalen Tubulus sind reichlich mit Karboanhydrase ausgestattet und spalten die durch die Aufnahme eines Protons entstandene Kohlensäure zu Kohlendioxyd und Wasser. Das CO2 diffundiert in die Tubuluszelle und wird durch die dort ansässige Karboanhydrase wieder zu Kohlensäure hydratisiert. Die Säure dissoziiert, säuert dabei das Zellmilieu an und das dabei entstandene Bikarbonat wird über ein Antiportersystem in Austausch für Chlorid an die Blutbahn abgegeben. Damit verliert die Zelle per Saldo ebenfalls ein Wassermolekül, welches durch Diffusion aus dem Harn in die Zelle wieder regeneriert wird.
Links: Tubulus
Mitte: Intercalated Cells
Rechts: Kapillare
Wie aus der Animation zu erkennen ist, erfolgt keine Nettoausscheidung an Säure. Die Hauptaufgabe besteht darin, Flüssigkeit nicht zu verlieren. Die Regeneration der Base ist sekundär, dient aber natürlich der Entsäuerung. Ist diese Rückgewinnung gestört, kann sich daraus eine metabolische Azidose entwickeln.
Der Großteil der Protonenausscheidung erfolgt im distalen Tubulus. Hier steht nicht mehr die Rückgewinnung von Flüssigkeit im Vordergrund, sondern die Elimination von ausscheidungspflichtigen Substanzen in geringen Restvolumen. Diese erfordern eine hohe Konzentration. Dazu sind spezialisierte Zellen, die sogenannten Alpha-Intercalated Cells, in der Lage, die durch ATPasen Protonen gegen einen Gradienten in den Harn aktiv zu sezernieren. Dieser aktive energieverbrauchende Prozess kann die H+ -Konzentration auf das Tausendfache anheben, was einer pH-Wert-Senkung von 7,4 auf minimal 4,5 entsprechen würde. Die meisten Protonen, die in den Tubulus gelangen, werden aber sofort von den puffernden Hydrogenphosphaten aufgenommen, was die weitere Protonensekretion erleichtert und gleichzeitig verhindert, dass der Harn-pH-Wert allzu tief sinkt.
Regulierend wirkt hier vor allem das Aldosteron, wobei ein direkter von einem indirekten Effekt unterschieden werden kann [119]. Ersterer drückt sich in einer unvermittelten Stimulation der ATPasen im medulären äußeren Sammelrohr aus. Dagegen ist ein indirekter Effekt vor allem im corticalen Sammelrohr zu beobachten, wodurch die genetische Transkription und damit die Proteinsynthese der Na+-Transportkanäle der Na/K-ATPasen verändert werden. Auf diese Weise wird mehr Natrium rückresorbiert als Kalium ausgeschieden. Damit das Membranpotenzial erhalten bleibt, diffundieren Protonen erleichtert in das Lumen hinaus.
Phosphat ist der Grundbaustein einer polyprotischen Säure, die eine verschiedene Anzahl von Protonen aufnehmen bzw. abgeben kann. Bei physiologischem pH-Wert ist Phosphat im Primärharn größtenteils einfach protonisiert.
pKs HPO42- / H2PO4- = 6,8 – 7,2
Weil sich der pH-Wert im proximalen Tubulus kaum ändert, stehen ausreichend freie HPO42 -Ionen im distalen Tubulus zur Aufnahme der ausgeschiedenen Protonen zur Verfügung. Der Protonen-Sättigungsgrad des Phosphates entscheidet, ob ein Reservemechanismus mobilisiert werden muss, die Ammoniumausscheidung.
Das Ammonium-Ion (NH4+), die in biologischen Systemen in der Regel vorkommende Form des Ammoniaks (NH3), ist für den Organismus schon in kleinen Mengen toxisch und darf deshalb nicht in Kreisläufen frei vorliegen. Stattdessen liegt es in Molekülen gebunden vor, vor allem in der Aminosäure Glutamin und derem Abbauprodukt Glutamat. Glutamin ist Träger von zwei Aminogruppen, Glutamat von einer. Die Freisetzung dieser Gruppen erfolgt in den proximaltubulären Zellen, wodurch Alpha-Ketoglutarat entsteht.
Für die Umwandlung von Glutamin zu Glutamat, bei der ein Ammoniumion freigesetzt wird, muss ausreichend ADP zur Verfügung stehen. Der Haupt-ADP-Lieferant ist die Na/K-ATPase. Dabei gilt: Umso mehr NH4+ produziert und ausgeschieden werden kann, desto mehr Na+ wird rückresorbiert.
Eine basale Ammoniumsekretion findet im proximalen Tubulus statt, allerdings ohne eine Ausscheidungsabsicht. Stattdessen wird das Ammonium wieder im distalen Tubulus und in der Medulla um das Sammelrohr in das Interstitium rückresorbiert und verbleibt dort bis zur Ausscheidung. Signalisiert wird diese bei einer Sättigung des Hydrogenphosphates in Dihydrogenphosphat. An diesem Punkt kann der Harn keine weiteren Protonen aufnehmen, ohne wesentlich anzusäuern.
Niedrige pH-Werte unter 4,5 können aber die Harnwege nicht ohne Verätzung tolerieren. , deshalb wird statt dessen die Ammoniumausscheidung eingeleitet. Dadurch kann das Harnmilieu trotz weiterer Protonenausscheidung durch den hohen pKs-Wert des Ammoniums (pKs = 9,2) wieder alkalischer werden. Wird pro Ammoniumion ein Proton neutralisiert, wird gleichzeitig Bikarbonat regeneriert. Bei starker Azidose kann täglich bis 300 mmol Ammonium (= 300 mmol H+!) produziert werden. Dafür ist jedoch eine ausreichende Glutaminversorgung notwendig, was in der Regel kein Problem darstellt, da das Primärfiltrat sehr glutaminreich ist. Im Falle einer Glutaminunterversorgung kann ein Eiweißkatabolismus zur Sicherung des Nachschubs eingeleitet werden.
Daraus geht hervor, dass eine erhöhte NH4+ -Ausscheidung als Hinweis für eine systemische Azidose gewertet werden kann. Die wichtigsten Ausnahmen davon sind ein gesteigertes Phosphatangebot durch Knochenresorption und die Ketoazidose.
Der menschliche Wasser- und Elektrolythaushalt (WEH) ist zugleich Bindeglied und Vermittler aller Kompartimente im Organismus und unterliegt bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die immer erfüllt sein müssen. So ist für den WEH eine immer identische Summe der Anionen und der Kationen entscheidend (Elektroneutralitätsgesetz). Dieses sagt jedoch nichts über deren Verteilung aus.
Das Wasser ist zugleich
Die Osmose wiederum wird durch die Ionenwanderung entlang den Zellmembranen gesteuert. Dieser aktive energieverbrauchende Transport sorgt für das notwendige Ungleichgewicht vor allem der Ionen Natrium und Kalium. Diese Kationen sind in ihrer Eigenschaft im SBH funktionell basisch, da sie mit ihrer positiven Ladung Protonen verdrängen (pKs von NaOH = 13,5). Umgekehrt verhält es sich mit dem negativ geladenen Chlorid, da dieses Anion das Bikarbonat verdrängt und mit seinem extrem niedrigen pKs-Wert (Salzsäure HCl = -2,2) die Protonenaktivität ansteigen lässt. Die drei Ionen liegen in höchster Serum- und Zellkonzentration vor und steuern daneben hauptsächlich den Säure-Basen-Haushalt (und gleichzeitig die Nervenleitfähigkeit.
Betrachtet man die pKs-Werte von NaOH und HCl, so wird die verbreitete Meinung, dass NaCl pH-neutral sei, falsch:
(-2,2 + 13,5) / 2 = 5,65
Der pH-Wert von physiologischer Kochsalzlösung liegt tatsächlich um 5,4. Demnach ist Kochsalz sauer, was bei der Therapie von Alkalosen genutzt wird.
In Anlehnung an das Elektrolyten-Schema können drei Hauptmechanismen für die pH-Regulation unterschieden werden. Dabei sind die passiv mitlaufenden Protonen nicht aufgelistet:
Verbindet das Bikarbonat/Kohlensäuresystem nicht nur Kompartimente untereinander, sondern auch die Aggregatszustände (innen) flüssig und (aussen) gasförmig, leisten die Proteine, mit Ausnahme des Hämoglobins, lediglich lokale Dienste im Säure-Basen-Haushalt. Die Hauptionen nehmen eine Zwischenstellung ein, indem sie sich als Ladungsträger intensiv zwischen den Kompartimenten hin und her bewegen.
Die wichtigsten Flüssigkeitsräume sind
Diese sind ausnahmslos durch Membranstrukturen voneinander getrennt. Generell lässt sich die physiologsiche Nettobewegungsrichtung wie folgt charakterisieren:
Diese Bewegungen werden sowohl durch passive wie auch aktive Transportmechanismen ermöglicht bzw. kontrolliert.
Der passive Transport als Synonym für hohe (Volumen-)Kapazität und (osmotische) Gradientenabhängigkeit wird vor allem durch Wasser, Sauerstoff und Kohlendioxyd beansprucht. Diese sind insofern für den SBH von Bedeutung, als dass ausreichend Sauerstoff eine „saubere“ und säurelose Energiegewinnung ermöglicht. Dabei muss aber auch das entstehende Kohlendioxyd rasch genug die Zelle verlassen können. Deshalb dürfen keine aktiven – und damit auch kontrollierenden bzw. hemmenden – Transporter Einfluss ausüben.
Passiv ist auch der erleichterte Transport ohne ATP-Verbrauch. Davon profitieren Ionen wie das Kalium und Natrium und ladungstragende Moleküle wie das Bikarbonat. Das Chlorid hingegen kann nur durch passives Folgen der Natriumbewegung erleichtert transportiert werden.
Aktive Transportmechanismen weisen gegenüber den passiven eine deutlich tiefere Kapazität auf, dafür sind sie in der Lage, beachtliche Konzentrationsunterschiede aufzubauen bzw. zu überwinden.
Vor allem sind es die Ionen Natrium, Kalium wie auch Protonen, die sich aktiv mit Hilfe der Na/K-ATPase verschieben lassen. Mit deren Hilfe wird ein transmembranöser Gradient aufgebaut bzw. erhalten. Dabei werden pro drei Na+-Ionen, die die Zelle verlassen, zwei K+ -Ionen aufgenommen. Dieses positive Ladungsdefizit ist am Aufbau des Membranpotenzials und der Ansäuerung der Zelle maßgeblich beteiligt. Gleichzeitig wird durch das Ungleichgewicht der Zelle Wasser entzogen, es bildet sich eine osmotischen Balance aus. Die große Bedeutung dieser Pumpe wird durch die Tatsache widergespiegelt, dass ca. ⅓ der gesamten ATP-Produktion dafür verbraucht wird.
Die negative intrazelluläre membranöse Grenzladung vereinfacht die Protonenwanderung in die Zelle hinein, analog der negativen Ladung in den Nierentubuli, die die Ausscheidung der Protonen erleichtert. Andererseits können sich die überschüssigen intrazellulären Protonen nicht nur an das Hydrogenphosphat, sondern auch an das Bikarbonat anlagern. Durch die Dehydratation der daraus resultierenden Kohlensäure wird Kohlendioxyd problemlos die Zelle und damit den Organismus durch die Atmung verlassen können. Bei einer metabolischen Azidose finden auch tatsächlich 55 – 60 % der Protonen-Pufferung intrazellulär statt.
Die Aufnahme von überschüssigen Protonen im intrazellulären Raum führt aufgrund des elektrischen Gleichgewichtes dazu, dass vermehrt Kalium in den Extrazellulärraum verschoben werden muss. Die Konsequenz ist als Hyperkaliämie bei Azidosen bekannt. Die Kaliumkonzentration sagt jedoch nichts über den Ganzkörper-Kaliumbestand aus. So kann hinter der Diagnose einer Hyperkaliämie, die nur durch eine Serummessung belegt wird, ein Ganzkörper- und damit intrazellulärer Kaliummangel verborgen sein („Kaliumparadoxon“: Hyperkaliämie trotz intrazellulärem Kaliummangel). Andererseits kann eine Hypokaliämie bei einer Alkalose tatsächlich einen Kaliumüberschuss bedeuten, was bei der Therapie beachtet werden muss.
Bei einer akuten Azidose bzw. Alkalose verschiebt sich die Serum-Kaliumkonzentration initial nach oben bzw. nach unten. Gleichzeitig setzen Regulationsmechanismen ein, die auf Kosten des Gesamtkaliums den Plasmakaliumspiegel wieder normalisieren. Dabei wird der Blut-pH-Wert stets nur teilweise kompensiert. Ist die Hypo- oder Hyperkaliämie bereits serologisch nachweisbar, ist der Prozess fortgeschritten und dekompensiert.
Aus der Animation geht zudem hervor, dass der Gesamtkaliumbestand nur bei bekanntem Blut-pH-Wert abgeschätzt werden kann. Wegen der entscheidenden Bedeutung des Serumkaliums für das Membranpotenzial (Goldmann-Gleichung) wird es auf Kosten des Gesamtkaliumbestands möglichst innerhalb des physiologischen Referenzbereichs gehalten. Aus diesem Grund lässt das Serumkalium alleine weder Rückschluss auf den Blut-pH-Wert noch auf den Gesamtkaliumbestand zu. Eine Hypo- bzw. Hyperkaliämie kann entsprechend bei allen Störungen des Säure-Basen-Haushalts vorkommen, wenn auch unterschiedlich häufig.
Den wichtigen, basischen Mineralstoff Natrium würde der Organismus permanent verlieren, stünden nicht geeignete Gegenmechanismen in Form von reichlich vorhandenen zellulären Na-/K-ATPasen zur Verfügung. Diese werden durch das Hormon Aldosteron aktiviert, wodurch Natrium in den Nieren verstärkt rückresorbiert und zugleich das Kalium und mit ihm auch Protonen verstärkt ausgeschieden werden. Dadurch können eine Azidose und die begleitende Hyperkaliämie simultan kompensiert werden, allerdings auf Kosten des Gesamtkaliumbestandes.
Aldosteron fördert zudem die Natriumrückresorption im Ileum, Colon sowie in den Schweißdrüsen [107]). Durch die Stimulierung der Aldosteron-Produktion durch Angiotensin II weist das ganze Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eine alkalisierende Wirkung auf. Entsprechend werden eine Überfunktion eine metabolische Alkalose und entsprechend alle Hemmer dieses Systems theoretisch eine metabolische Azidose erzeugen.
Das antidiuretische Hormon (ADH) hat keinen direkten Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt. Trotzdem kann es dort zu Störungen führen. Wird vermehrt ADH im Hypothalamus gebildet, wo auch Durstzentrum und Osmorezeptoren lokalisiert sind, wird Wasser durch die Nieren zurückgehalten. Diese Verdünnung senkt die Konzentration der Elektrolyte. Weil die basischen Natriumionen gegenüber den sauren Chloridionen überwiegen, wird durch diese Wasserretention eine hypotone Hyperhydratation resultieren, welche den pH-Wert senken kann (die Konzentration der basischen Natriumionen sinkt verhältnismässig rascher.). Im umgekehrten Fall, bei einer hypertonen Dehydratation wird vergleichbar eine Alkalose resultieren (sog. Dilutions-Azidose bzw. Kontraktionsalkalose).
Die Leber ist das wichtigste Stoffwechselorgan. Störungen können unterschiedliche Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt bewirken, da die Leber sowohl Säuren als auch Basen produziert und konsumiert. Das Organ ist der Ort der Transformation und Synthese von Säuren. Im Zusammenhang mit dem SBH sind die wichtigsten Leberprozesse:
Die Leber ist das Zentralorgan bei der Regulierung der Proteinsynthese. Praktisch alle Plasmaproteine mit Ausnahme der Immunglobuline werden in der Leber produziert. Albumin, welches die Hälfte der Proteinsynthese ausmacht, ist ein wichtiger Säurepuffer. Es vermag sowohl überschüssiges CO2 wie auch Protonen zu binden. Andererseits ist Albumin mit seinen negativen Ladungen ein Anion mit schwach saurem Charakter. Ein Mangel an Albumin wird demnach eine leichte Alkalose mit reduzierter Plasmapufferkapazität erzeugen.
Die Leber verstoffwechselt überschüssige Aminosäuren, Fette und Kohlenhydrate. Die Fette und Kohlenhydrate werden vollständig zu CO2 und Wasser abgebaut und belasten somit den Säure-Basen-Haushalt kaum. Die Verstoffwechselung von sauren Anionen ist durch die Aufnahme von Protonen sogar ein alkalisierender Prozess.
Liegen aber Erkrankungen des Organs wie z.B. Leberzirrhose vor, können kurzkettige Fettsäuren wie z.B. Essigsäure, Propionsäure oder Buttersäure aus dem Darm nur unzureichend abgebaut werden und zu einer metabolischen Azidose beitragen. Das gleiche gilt für die Ketonsäuren, die bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus oder beim Hungern gebildet werden.
Aminosäuren werden je nach Seitenketten neutral, sauer oder basisch abgebaut. Täglich werden ungefähr 1'000 mmol Aminosäuren oxidiert. Die Oxidation der basischen Aminosäuren Arginin, Lysin und Histidin säuert dabei durch die Abgabe das aufgenommenen Protons die Gewebe an. Im Gegensatz dazu werden beim Abbau der sauren Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure Protonen konsumiert und entsprechend, die Gewebe werden alkalisiert. Im Therapieverlauf mit Aminosäuren muss diese Tatsache unbedingt berücksichtigt werden. Per Saldo aller oxidierten Aminosäuren ist mit einem Protonenüberschuss in der Grössenordnung Größenordnung von 5 % zu rechnen. Bei den täglichen 1000 mmol Aminosäuren wären dies also 40-50 mmol H3O+, entsprechend der ungefähren täglichen Menge an ausscheidungspflichtigen Säuren.
Bei einer anaeroben Glykolyse wird das Pyruvat zu Laktat verstoffwechselt. Die Produktion von Laktat ist aber nicht unbedingt ein Zeichen eines akuten Sauerstoffmangels. Es wird auch beim dem physiologischen Normalzustand in einer Größenordnung von 1.500 mmol/Tag gebildet und erfüllt unterschiedlichste Aufgaben, so z.B. als Energiequelle für das Myocard. Laktat dient ebenso der Säureschutzmantel der Haut und kann zu einer Rechtsverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve führen (Laktat säuert in erster Linie das Plasma an und nicht die Erythrozyten).
Überschüssiges Laktat wird von der Leber und in geringerem Umfang von den Nieren aufgenommen und im Cori-Zyklus verstoffwechselt. Dabei wird aus jeweils zwei Laktatmolekülen unter Mitnahme von zwei Protonen wieder ein Glucosemolekül gebildet. Damit gleicht sich der azidotische Effekt des gebildeten Laktats wieder aus. Der Energieaufwand ist nicht unerheblich: Liefert die Produktion von Laktat zwei ATP, werden durch die Gluconeogenese sechs ATP verbraucht.
Zur Erinnerung sei erwähnt, dass unter aeroben Bedingungen das Pyruvat unter Vermeidung von Laktat zu Acetyl-CoA abgebaut und durch den Zitratzyklus und das Elektrontransfersystem intrazellulär neutralisiert wird. Dabei werden die Protonen bei der Bildung von ATP verbraucht.
Im Falle einer gesunden Leberfunktion ist deshalb eine Laktatinfusion alkalisierend. Es werden in der Leber Protonen durch den Cori-Zyklus aufgenommen. Analoge Überlegungen gelten auch für die exogene Zufuhr von anderen Anionen wie Zitrat (Alkalose durch häufige Bluttransfusionen), Acetat und Gluconat.
Stickstoff hat direkt nach Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff eine hohe Bedeutung für den Stoffwechsel. Der Großteil davon ist in Aminosäuren und Nukleotiden gebunden. Überschüssige Aminosäuren können nicht gespeichert werden, weshalb sie entweder umgewandelt, abgebaut und ausgeschieden werden müssen. Im Falle von einem funktionellen Kohlenhydratmangel, wie z.B. beim Diabetes mellitus werden sie dagegen desaminiert und damit zu Ketonsäuren umgewandelt, welche dann als Energiequelle dienen können.
Der durch den Abbau von Proteinen freigesetzte giftige Ammoniak (NH3), der wegen seinem hohen pKs-Wert ausschliesslich als Ammoniumion (NH4+) in Geweben vorliegt, muss effizient ausgeschieden werden können. Der zum überwiegenden Teil in der Leber lokalisierte Harnstoffzyklus übernimmt größtenteils diese wichtige Aufgabe. Daneben steht aber auch der Glutamatzyklus zur Verfügung. Beide Zyklusprodukte, der Harnstoff wie auch das Glutamat, werden den Nieren weitergeleitet. Harnstoff wird als solches ausgeschieden, Glutamat noch in den Nieren desaminiert und das freigesetzte Ammonium als Ammoniumphosphat ausgeschieden.
Harnstoffzyklus
Der erste Schritt des Harnstoffzyklus ist die Umwandlung von Alpha-Ketoglutarat zu Glutamat unter der Aufnahme einer Aminogruppe. Diese kommt aus überschüssigen Aminosäuren, z.B. aus Nahrungsprotein durch deren Desaminierung, wobei Alpha-Ketosäuren gebildet werden. Diese Transaminierungsreaktionen sind auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B 6 oder seiner aktiven Form Pyridoxal-5-Phosphat angewiesen.
Einen anderen Zugang zum Harnstoffzyklus bietet das Glutamin, welches in der Muskulatur und im Gewebe gebildet wird. Sowohl Glutamin wie auch Glutamat sind in der Lage, in die Mitochondrien der Leberzellen einzudringen, wo unter Energieaufwand ihre Aminogruppen in den Harnstoffzyklus eingeschleust werden. Dabei wird Ornithin in Citrullin umgewandelt. Dieser entscheidende Schritt benötigt zudem Bikarbonat. Es wird durch die Dissoziation von Kohlensäure freigesetzt, die durch die Hydratisierung des dort aus dem Zitratzyklus entweichenden Kohlendioxyds entsteht. Die dadurch freiwerdenden Protonen unterstützen die protonenmotorische Kraft.
Insgesamt konsumiert die Harnstoffsynthese Bikarbonat, welches unter normalen Umständen ausreichend vorhanden ist. Im Falle einer metabolischen Azidose kann jedoch Bikarbonat zur Mangelware werden. Der Harnstoffzyklus kommt dadurch allmählich zum Erliegen und der Reservemechanismus tritt in Aktion, die Bildung von Glutamin.
Die auf die Harnstoffsynthese spezialisierten Zellen sind in den Leberläppchen in der Peripherie angeordnet und werden vom Portalvenenblut als erste erreicht. Erst wenn sie ihre Funktion nicht erfüllen können, gelangen die aminohaltigen Verbindungen in die zentralen Regionen, die dann den Glutamatzyklus aktivieren.
Einerseits ist die Leber Organ der Alkalisierung durch die Verstoffwechslung von sauren Anionen, andererseits konsumiert sie Basen durch den Harnstoffzyklus. Scheiden die Nieren Ammonium aus, bleibt dem Organismus alkalisierendes Natriumbikarbonat erhalten. Je nach dem, welcher Prozess überwiegt, können Leberkrankheiten Alkalosen wie auch Azidosen hervorrufen. Aus diesem Grund dürften Basenmittel, z.B. bei einer Leberzirrhose, nur nach einer klaren Säure-Basen-Analyse eingesetzt werden.
Das Skelett verkörpert das grösstegrößte Reservoir an Mineralien im Organismus und hat daher eine große Bedeutung für den Säure-Basen-Haushalt. Mineralien sind nicht nur für den Bedarfsfall im Knochensystem gespeichert, sondern dienen gleichzeitig effizient der Formgebung und Stabilität.
Eigentlich stellt man sich Knochen als kompakte und trabekuläre Kalkstrukturen vor, als "tote Materie", wie man sie von den Skeletten oder Hundeknochen her kennt. Auch im Medizinstudium wird gelehrt, dass Knochen „bradytrophes Gewebe“ darstellen, also Gewebe mit einem verlangsamten Stoffwechsel.
Doch hinter dem unbewegten Äußeren der Knochen verbergen sich zahlreiche differenzierte Gewebe-Arten und Zellelemente, die durch ihre ungeheure Ausdehnung eine enorme dynamische Leistung erbringen. So stellen Kornak et al. stellten [46] zum Knochenstoffwechsel fest: “Das Skelettsystem unterliegt wie kaum ein anderes Gewebe einem ständigen Auf- und Abbau“. Und auch schon Cooke postulierte dazu 1955: “Its fixity after death is in sharp contrast to its ceaseless activity during life.”
Eine derartige Aktivität muss einer physiologischen Steuerung unterliegen und in Zusammenhang mit der Stoffwechsel-Homöostase auch regulatorische Funktionen erfüllen. So dient das Skelett nicht nur der Struktur und Stabilität, sondern gleichzeitig als bedeutender Mineralspeicher.
Knochen setzt sich aus einem organischen (90 % Kollagen, 10 % andere Proteine) und anorganischen Anteil zusammen. Der anorganische Teil, bestehend aus Hydroxyapatit, überwiegt deutlich mit zwei Dritteln der Gesamtmasse, aber der organische Teil nimmt immerhin noch ein Drittel der Knochenmasse ein. Durch eine besondere Eigenschaft des eingelagerten Hydroxyapatits (Ca10[PO4]6[OH]2) ist ein großes zusätzliches Säure-Pufferinstrument entstanden: Hydroxyapatit bildet nur sehr kleine Kristalle innerhalb der Knochensubstanz, deshalb wird seine aktive Oberfläche stark vergrössert. Damit wird dieses System zum grössten Ionenaustauscher des Organismus.
Bemerkenswert ist, dass sowohl das Phosphat wie auch das Hydroxyd des Hydroxyapatits durch Karbonat (CO32-) ersetzt werden können. Damit erhöht sich die Bikarbonatreserve um 5'000 mmol, was 80 % des Körperbestands an CO32- entspricht.
Das Knochenpufferangebot ist dreischichtig. Die unmittelbare Säureregulation erfolgt via einfachem Austausch der Protonen durch eingelagerte Kationen wie Na+, K+, und in geringerem Umfang Ca2+. Bei Bedarf werden aus der Hydrathülle der Hydroxyapatitkristalle ganze Moleküle Na/KHCO3, Na/KHPO4 freigesetzt. Diese Vorgänge sind physikochemischer Natur und erfolgen entsprechend rasch (Kompensation einer akuten Azidose). Dauert jedoch die Azidose an (chronische metabolische Azidose), werden zelluläre Prozesse eingeleitet. Diese betreffen vor allem die abbauenden Knochenzellen, die Osteoklasten.
Die Knochenstrukturen werden von spezialisierten Zellen umsäumt. Auf der einen Seite lagern die kleinen Osteoblasten Knochensubstanz (Osteoid) ein und auf der Gegenseite sind es die Osteoklasten, die an dieser Substanz ständig nagen. Die Osteozyten, eingemauerte Osteoblasten, sind ihrerseits für den Erhalt des Knochengewebes zuständig.
Die Osteoblastentätigkeit wird durch Alkalisierung stimuliert. Gehemmt wird sie durch Ansäuerung wie auch durch das Prostaglandin PGE2, dessen Produktion selber durch Azidose gesteigert wird.
In einer Studie von Arnett [2] wurden Rattenosteoblasten in unterschiedlichen pH-Medien kultiviert. Im alkalischen Milieu bei pH = 7,4 (Abb. Die vier Petrischalen links) erkennt man die Knochenneubildung an Hand der Inselbildung. Rechts, bei pH = 6,9, wird die osteoblastische Knochenneubildung vollständig unterdrückt.
Knochenbildung in Abhängigkeit vom pH-Wert des Milieus (mit freundlicher Genehmigung von Andrea Brandao-Burch, London)
Osteoklasten sind bei pH-Werten um 7,3 vollständig inaktiv, aber bei einem pH-Wert von 6,9 am aktivsten. Die Knochenresorptionsdynamik scheint um pH = 7,1 am sensibelsten zu reagieren, was wahrscheinlich dem pH-Wert der interstitiellen Matrix entspricht. So erzeugt ein pH-Abfall von nur 0,05 (!) eine Verdoppelung der osteoklastischen Aktivität [2]. Diese Knochenresorption wird ebenfalls durch Hypoxie, PGE2, Parathormon und bemerkenswerterweise dem 1,25 Dihydroxyvitamin D3 stimuliert. Calcitonin wirkt dabei als Gegenspieler zum Parathormon.
In einer weiteren Arbeit demonstrierte Arnett [2], wie eine hormonell bedingte Osteoklasten-Aktivierung durch eine Alkalisierung deutlich gedrosselt werden kann.
Knochenregulation in Abhängigkeit des pH-Werts (Mäuse-Knochenkulturen)
rote Balken: pH = 7,1, blaue Balken: pH = 7,4
Tim Arnett, Department of Anatomy and Developmental Biology, University College London, Gower Street, London, WC1E 6BT, UK
Dieser Sachverhalt ist besonders brisant in Zusammenhang mit der allgemeinen Empfehlung der Vitamin-D 3-Gabe bei Osteoporose. Vitamin D 3 dürfte demnach beim Vorliegen einer chronischen Azidose nur sehr zurückhaltend bzw. erst dann verabreicht werden, wenn gleichzeitig für eine Alkalisierung gesorgt wird.
Die inzwischen bekannte Untersuchung von Lutz [57] konnte zeigen, wie eine proteinkonsuminduzierte verstärkte renale Kalziumausscheidung durch die Gabe von Natriumbikarbonat neutralisiert werden konnte. Frasetto und Sebastian präzisierten dazu [30], dass Alkalisalze am effektivsten den Knochenabbau bei einer vorliegenden, chronischen metabolischen Azidose reduzieren.
Wirken Stoß- oder Zugkräfte z.B. durch körperliche Anstrengung auf den Knochen ein, lassen sich bioelektrische Potenziale am Knochen (Schaft versus Epiphyse) ableiten. Diese Potenziale sind weder durch die Unterbrechung der arteriellen Blutzufuhr noch durch die Durchtrennung der Nervenfasern zu beeinflussen. Hingegen werden sie durch Zellgifte wie Dinitrophenol oder durch Zellzerstörung durch hochenergetischen Ultraschall [6] gelöscht.
Von ausschlaggebender Bedeutung ist die Identifikation von biochemisch reduktiven Stoffwechselprozessen im Bereich der negativen Potenziale, die das Milieu lokal alkalisieren:
2 H2O + O2 + 4 e- => 4 OH-
Damit werden konzentriert zielgerichtet Osteoblasten aktiviert, Osteoklasten gehemmt und damit die Knochenneubildung und Mineralisierung gefördert . Diese mechanische Beanspruchung des Knochens stellt einen Hauptfaktor für die Knochengesundheit dar, ist doch die Osteoporose einer der großen Probleme bei Untergewicht bis hin zu den Astronauten bei Langzeitaufenthalten im Weltall.
In einer weiteren Studie [72] mit Bodybuildern wurde durch ein intensives einstündiges Muskeltraining eine metabolische Laktat-Azidose induziert. Diese Säurelast führte zwar vermehrt zur Ausscheidung von Kalzium, hingegen war der Knochenresorptionsparameter Desoxypyridinolin in der gleichen Zeit als Zeichen des verstärkten Knochenaufbaus gesunken.
Diese Ausführung steht nicht in Widerspruch zu der Beobachtung, dass ein direkter Druck auf den Knochen eine Knochenresorption bewirken kann. Wenn eine Kraft senkrecht zur Knochenebene einwirkt, wird unmittelbar lokal die Durchblutung gedrosselt. In der Folge weicht der Knochen mangels Versorgung zurück.
Säuren und Basen steuern die Verdauungsleistung wie auch im Gegenzug diese den Säure-Basen-Haushalt beeinflusst. Im Gegensatz zu den den zellulären Vorgängen, wo feinen Säure-Basen-Impulsen bei zellulären Vorgängen treten im Magen-Darm-Trakt im Verhältnis dazu gewaltige Säure- und Basenfluten auf.
Diese sind mengenmäßig den individuellen Ernährungsgewohnheiten angepasst und Voraussetzung für eine gesunde effiziente Verdauung. Viele der dabei involvierten Enzyme brauchen bestimmte pH-Werte zur optimalen Funktion. Benötigen z.B. Kohlenhydrate und Fette für deren Zersetzung ausschließlich ein alkalisches Milieu, sind zum Proteinabbau saure Verhältnisse nötig. Jede Station entlang des rund acht Meter langen menschlichen Darms erfüllt spezifische Funktionen. Störungen in proximal liegenden Abschnitten können nicht durch die nachgeschalteten kompensiert werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Abschnitte in Hinblick auf den Säure-Basen-Haushalt erläutert.
Die Magenschleimhaut sezerniert täglich etwa drei Liter einer hochsauren Salzsäurelösung (160 mmolar), wodurch der Nahrungsbrei auf einen pH-Wert von 1 – 2 gesenkt wird. Die dafür verantwortlichen Parietalzellen sind mit einer großen Anzahl an Mitochondrien ausgestattet, die die notwendige Energie den Protonenpumpen (magnesiumabhängige H/K-ATPasen) zur Verfügung stellen. Schließlich muss ein Protonen-Konzentrationsgradient von bis zu 1:10.000.000 überwunden werden. Eigentlich scheiden die Parietalzellen zuerst Kaliumchlorid aus. Die ATPasen tauschen anschließend wieder das Kalium um durch die Protonen. Die notwendigen Protonen werden durch die intrazelluläre Dissoziation von Kohlensäure freigesetzt. Kohlensäure wiederum entsteht durch die Hydratisierung von Kohlendioxyd, welches reichlich unter anderem durch den aktiven mitochondrialen Zitratzyklus geliefert wird.
Die Bildung der Kohlensäure ist durch die Karboanhydrase enzymatisch gesteuert und damit zinkabhängig. Natriumbikarbonat gelangt als Basenflut in die Blutbahn, wodurch der Blut-pH-Wert und die Pufferkapazität angehoben werden. Dieser Anstieg ist charakteristisch für die Verdauungsphase nach einem Essen (Müdigkeit!) und ist entsprechend für eine sportliche Aktivität, bei der eine physiologische Azidose notwendig wäre, ungeeignet (umgekehrt kann eine starke Azidose sogar einen funktionellen Ileus auslösen [27]. Das Bikarbonat wird wiederum von den basophilen Organen des Verdauungstrakts gern aufgenommen, denn diese Basen werden zur Neutralisation des sauren Nahrungsbreis aus dem Magen gebraucht. Damit schließt sich wieder der Säure-Basen-Kreis.
Diese Ansäuerung der Nahrung ist eine wichtige Voraussetzung für die Eiweißverdauung. Protein wird durch die Säure denaturiert und ist damit enzymatisch abbaubar. Das Hauptenzym im Magen dafür ist das Pepsin. Es wird erst durch den Kontakt mit einem sauren Milieu von pH = 1–2 aktiviert und kann dann Proteine wie z.B. Hämoglobin in kürzere Peptide spalten. Sobald die Nahrung in den alkalischen Dünndarm gelangt, ist die Wirkung des Pepsins irreversibel beendet.
Eine zweite wichtige Aufgabe der Säure ist die Desinfizierung der aufgenommenen Nahrung. Damit wird verhindert, dass tieferliegende Darmabschnitte durch Fremdkeime besiedelt werden. So zeigte eine holländische Studie [50], dass Protonenpumpenblocker und H2-Antagonisten das Risiko, einer Pneumonie-Erkrankung signifikant erhöhen.
Die Magenschleimhaut wird durch eine besonders kräftige säureschützende Schleimschicht überzogen. Entsprechend kann sie mit Ausnahme von Wasser und Alkohol nichts resorbieren. Durch den niedrigen pH-Wert werden zudem alle Karboxylgruppen und Aminogruppen protonisiert. Damit erhalten die Peptide eine stark positive Nettoladung, wodurch die Aufnahme durch die Magenschleimhaut weiter erschwert wird (Zellen sind außen positiv geladen).
Reguliert wird die Säuresekretion durch nervale, parakrine sowie endokrine Mechanismen. Aktivierend wirken:
Für einen starken Sekretionsreiz bedarf es aller drei Signale. Histamin stimuliert die Adenylat-Cyclase der Parietalzellen, was das intrazelluläre zyklische AMP anhebt und die Proteinkinase aktiviert. Diese ist mitverantwortlich für den Transport der H/K-ATPase aus dem Zytoskelett an die Plasmamembran. Acetylcholin sowie Gastrin heben die intrazelluläre Kalziumkonzentrationen an.
Hemmend auf die Magenaktivität ist der Sympathikus (während der Muskelarbeit darf nicht verdaut werden), sowie das Sekretin, welches aus dem Duodenum als Antwort auf die Säure aus dem Magen freigesetzt wird. Sekretin stimuliert die Bauchspeicheldrüse und Gallengänge, um eine Flut von Basen zur Neutralisation des sauren Nahrungsbreis auszulösen.
Im Dünndarm schließlich werden einerseits der Magensaft neutralisiert und andererseits die Säfte dreier Organe miteinander vermischt: Die Galle mit ihren Gallensäuren ist durch den hohen Gehalt an basischen Mineralien (zusammen mit der leicht sauren Bicarbonat) nicht sauer, sondern weist einen pH-Wert um 7,8 – 8,6 auf, ähnlich dem Saft der Pankreas. Durch die Mischung steigt der pH-Wert rasch auf alkalische Werte um 8, was einer enormen Basenzunahme um den Faktor 107 entspricht. Damit beginnt eine neue Verdauungsphase, bei der mehr Enzyme zum Einsatz kommen, die bei tiefen pH-Werten denaturiert würden. Jetzt wird die Nahrung in eine resorptionsfähige Form zerkleinert. Durch die Alkalisierung wird die Netto-Molekülladung jetzt negativ. Da die Transportmechanismen der außen positiv geladenen Zellen vor allem auf negative Moleküle ausgerichtet sind, ist dieser Wechsel eine weitere wichtige Voraussetzung für die Resorption.
Die Resorption der anorganischen Nahrungsstoffe (Mineralien, Spurenelemente) findet ebenfalls hauptsächlich im oberen Dünndarm statt. Der Transport erfolgt in der Regel durch einen spezifischen Transporter (oft im Symport mit H+ oder HCO3–) oder parazellulär durch Solvent Drag zusammen mit Wasser. Hier ist der pH noch tiefer auf Grund der noch nicht vollständig neutralisieren Magensäure.
Im unteren Dünndarm und vor allem im Dickdarm wird das Milieu durch die dort ansässigen Bakterien bestimmt. Ihr Stoffwechsel mit der Produktion von kurzkettigen Fettsäuren wie Essigsäure, Propionsäure oder Buttersäure sorgen erneut sorgt für eine leichte Ansäuerung des Inhalts (pH 5,0 – 7,0). Bei überwiegender Gärung (z.B. bei Darmmykosen) können deshalb besonders tiefe pH-Werte bis ca. 5 gemessen werden. Herrschen Fäulnisprozesse (Dysbiosen) vor, ist mit einer Alkalisierung durch die gebildeten Amine zu rechnen.
Im Magen müssen wegen der Elektroneutralität gleich viele Chloridionen wie Protonen sezerniert werden. Diese Chloridionen werden im Kreislauf durch das Bikarbonat ersetzt, wodurch die Basenflut ausgelöst wird. Dieses Natriumbikarbonat nimmt ihrerseits die Leber auf, um die Galle damit anzureichern. Der NaCl-Bedarf wird durch die Rückresorption des Natriums und des Chlorids in Grenzen gehalten und die Verbindungen können den Verdauungsorganen erneut zur Verfügung gestellt werden. Der Natriumgradient dient als Ko-Transportsystem und erleichtert die Resorption weiterer Substrate wie Aminosäuren, Monosaccharide und Gallensäuren. Zusammen mit dem Natrium wird auch das Wasser durch die Osmose kräftig rückresorbiert und zieht andere Ionen mit sich („solvent drag“).
Die Bedeutung dieses Kochsalzkreislaufes wird auch durch die Resorption von Kohlenhydraten deutlich: Für die Resorption von 1 mol Glucose wird die gleiche Menge Natrium, entsprechend 58 g Kochsalz (!), benötigt.
Die Protonen der Magensäure unterstützen ebenfalls durch ein Ko-Transportsystem die Aufnahme von Di- und Tripeptiden. Die überschüssige Säure wird hingegen durch das Bikarbonat zu Kohlensäure neutralisiert. Nach ihrer Dissoziation wird das CO2 durch die Schleimhaut resorbiert und auf üblichem Wege über die Atmung ausgeschieden. Eine gesteigerte Kohlendioxydproduktion kann vorübergehend als Meteorismus in Erscheinung treten.
Vom menschlichen Speichel, dem primären Sekret im Verdauungsprozess, werden täglich ca. 1,5 – 2 Liter produziert. Diese wasserhelle, etwas schleimige Flüssigkeit durchsetzt mit einem pH-Wert von 5,8 – 7.8 die Nahrung und macht sie gleitfähig. Gesunder Speichel weist einen optimalen pH-Wert von >6,34 auf und führt ausreichend Elektrolyte (Erdalkalimetalle) zur Pufferung der bei dem Kauvorgang und lokalen Verstoffwechslung von Kohlenhydraten freiwerdenden Säuren mit. Nicht nur das Kauen, sondern auch der Speichel bereitet die Nahrung für die weitere Verdauung vor. Wird z.B. stärkehaltige Nahrung lange genug gekaut, erhält sie durch die vorhandene Amylase einen leicht süsslichen Geschmack.
In der Abb. werden die Speicheltitrationen von zwei Patienten dargestellt. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass auch hier die Pufferkapazität und nicht der Ausgangs pH entscheidend ist. Sofort ist der deutliche Unterschied an der Titration zu erkennen: Blau bleibt basisch und Rot sinkt sofort in den sauren Bereich.
Dabei hatte der Patient in Rot sogar einen höheren Ausgangs pH-Wert.
Entscheidend ist nicht der Ausgangs-pH-Wert, sondern die Pufferkapazität. Gesunde Zähne müssen vor saurer Nahrung bzw. vor denen durch die bakterielle Zuckerverstoffwechslung erzeugten organischen Säuren durch ausreichend Basen geschützt werden. Dazu ist zudem eine genügende Speichelproduktion zur Spülung Bedingung, was vor allem durch Kariesbildung beim Sicca-Syndrom (Mundtrockenheit) bestätigt wird. Schon Röse erkannte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts (1905), dass ein gesunder alkalischer Speichel der beste Schutz gegen Zahnerkrankungen ist.
Die Haut als Teil des Immunsystems bedeckt den menschlichen Körper mit einer Fläche von ca. 1,8 m2
Das gesunde Organ wird von einem Säureschutzmantel umgeben, wodurch einerseits physiologische Hautkeime optimale Wachstumsbedingungen finden und andererseits das Gedeihen von schädlichen Bakterien und Pilzen erschwert wird. Der pH-Wert der Haut bewegt sich durch sein Gehalt an Milchsäure (aus der normalen Laktatproduktion) um 5,5, sie ist damit ein Säureausscheidungsorgan. Zwar können alkalische Seifen diese Barriere vorübergehend zerstören, wirken jedoch durch den Wiederaufbau des Säureschutzmantels systemisch alkalisierend. Dies ist ein Grund, weshalb auch basische Thermal- und Basenbäder einen heilsamen Effekt entfalten können.
Häufiges Waschen mit einer Alkaliseife ist jedoch wegen der eigentlichen Funktion des Säureschutzmantels nicht empfehlenswert. Seine Regeneration dauert – je nach individuellem Hauttyp – von einer halben bis zu drei Stunden. Diese Möglichkeit zur Selbstregulation nennt man Alkalineutralisationsfähigkeit oder Alkaliresistenz. Wegen der verminderten Talgdrüsenaktivität ist sie bei Kleinkindern und Senioren eingeschränkt, diese Altersgruppen sind deshalb anfälliger für Haut-Infektionskrankheiten.
Andererseits steigt interessanterweise der pH-Wert bei Patienten mit Hautproblemen häufig an, so auch z.B. bei Akne. Der dafür verantwortliche physiologische Hautkeim Propionibacterium acnes kann sich bei neutralem pH-Wert wesentlich besser vermehren. Hier kann die Wahl der Seife entscheidend sein. Alkalische Seifen weisen einen pH-Wert von 9 – 12 auf, neutrale bewegen sich um pH = 7. Hautfreundliche Seifen, die sich für häufiges Waschen oder Hautkrankheiten eigenen, haben einen physiologischen pH-Wert von 5,5. Im Bereich der großen Schweißdrüsen, die z.B. in den Achselhöhlen und im Genitalbereich vorhanden sind, kann das wichtig sein. Hier ist die Hautoberfläche schon physiologischerweise weniger sauer (pH-Wert 5,5 – 6,5).
Alkalische Seifen haben noch einen weiteren Nachteil: Der Säureschutzmantel wird nicht alleine durch das ausgeschiedene Laktat aufrechterhalten, sondern ebenso beteiligt ist die lokale Mikroflora. Beispielsweise verstoffwechselt das Bakterium Staphylococcus epidermidis sezernierte Fettsäuren in kurzkettige Verbindungen, was dann den pH-Wert der Haut senkt. Alkalische Seifen sind in der Lage, nicht nur den Säureschutzmantel aufzuheben, sondern eliminieren wirksam auch die daran beteiligten Bakterien.
Die potenzielle Menge der Schweißbildung ist sehr groß und kann ohne weiteres durch eine anstrengende Tätigkeit dem Blutvolumen entsprechen. Bergbauarbeiter können bis zu drei Liter Flüssigkeit pro Stunde verlieren und Athleten bis zu zwei Liter innerhalb von einem zweistündigen Training. Durch die körperliche Aktivität steigt die Produktion des sauren Laktats stark an. Aus biologischer Sicht ist es somit essenziell, dass durch den Schweiß nicht noch weitere Basen verloren gehen.
Schweiß muss im Gegenteil bei einer Muskelarbeit erst recht der Entsäuerung dienen. Entsprechende Studien reichen bis in die 1930-er Jahre zurück [29]. Dort wird bereits darauf hingewiesen, dass die essentiellen puffernden Komponenten des Plasmas wie Bikarbonat und Protein nicht im Schweiß vorkommen. An deren Stelle werden die sauren Anionen neben dem Laktat auch Sulfat oder Chlorid, aber auch Phosphat ausgeschieden. Proteine werden wegen ihres hohen Molekulargewichts nicht ausgeschieden und das Bikarbonat ist bei einem Schweiß-pH-Wert von 4 – 4,5 im Gegensatz zu den anderen Anionen fast nicht exitstent. Laktat ist dagegen bei diesem pH-Wert ein wichtiger Puffer und sorgt dafür die Erhaltung, dass dieses Milieus möglichst erhalten bleibt. Es wird ebenfalls vermutet, dass hohe endogene Laktatspiegel einen Reiz zur Schweißproduktion auslösen. Vielleicht können damit auch Kaltschweiß-Anfälle erklärt werden, wenn z.B. der Kreislauf durch Schock plötzlich auf die anaerobe Energiegewinnung umschalten muss. Die Folge dabei ist eine Flut von Laktat.
Auch bei der menschlichen Fortpflanzung hat der pH-Wert eine entscheidende Bedeutung. Während das Scheidenmilieu zur Abwehr von Krankheitserregern sauer ist, ist Sperma basisch. Die beim Geschlechtsakt einsetzende Neutralisationsreaktion führt zu einem optimalen Milieu für die Bewegung der Spermien. Ihre Mitochondrien erhalten jetzt durch die Ansäuerung Protonen, damit werden die Spermien zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort aktiviert. Muskelkraft allgemein wird bei einer physiologische Ansäuerung offensichtlich entfaltet und durch eine Alkalose entsprechend gehemmt.
Im Alter kann sich das Scheidenmilieu durch die Abnahme der Östrogene dauerhaft alkalisieren und infektionsanfällig werden. Eine hormonelle Substitution oder Milchsäurespülungen können helfen.