In der medizinischen Praxis wird man immer wieder mit der Problematik des Säure-Basen-Haushalts konfrontiert. Besonders Patienten mit chronischen Erkrankungen, Befindlichkeitsstörungen, aber auch gesundheitsbewusste Menschen setzen sich diagnostisch sowie therapeutisch intensiv mit diesem Thema auseinander.
Verschiedene Verfahren zur Klärung des Säure-Basen-Status haben sich etabliert, wobei die Messung des Urin-pH-Wertes am weitesten verbreitet ist. Experten der Säure-Basen-Biochemie wissen jedoch, dass diese Methode nur bedingt aussagekräftig ist, da es eine der Hauptfunktionen der Nieren ist, Säuren auszuscheiden. Dementsprechend können durch diese Messungen Ängste bezüglich einer Übersäuerung eher unverhältnismäßig geschürt als objektiv bewertet werden.
Eine Messung des pH-Wertes allein bietet zudem nur eine sehr begrenzte Aussage über den Säure-Basen-Haushalt, da sie lediglich die freien Säuren erfasst und die viel größere Gruppe der gebundenen Säuren außer Acht lässt. Aus diesen Gründen ist die Wahl der richtigen Messmethode von entscheidender Bedeutung.
Herr Müller, ein 68-jähriger pensionierter Lehrer, hatte sich einer Blasen-Operation unterzogen. Was als Routineeingriff begann, entwickelte sich jedoch zu einer anhaltenden Herausforderung. Trotz der erfolgreichen Operation litt Herr Müller unter ständigen Nachblutungen. Tage und Wochen vergingen, in denen er immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert wurde, um die Blutung in der Blase auszuspülen. Doch jedes Mal, wenn er nach Hause entlassen wurde, begann die Blutung erneut. Es war ein zermürbender Zyklus ohne Ende in Sicht.
Die Ärzte waren ratlos. Jede Rückkehr ins Krankenhaus endete mit der gleichen Routine und ohne weiterführende Beratung. Herr Müller fühlte sich hilflos und frustriert über die scheinbar endlose Wiederholung des Problems.
Die Wende kam, als Herr Müller in unserer Praxis vorstellig wurde. Basierend auf neuesten Erkenntnissen der Säure-Basen-Medizin empfahlen wir ihm, seinen Urin zu alkalisieren. Es war ein Ansatz, der auf den ersten Blick einfach erschien, aber das Potenzial hatte, seine Situation grundlegend zu verändern.
Herr Müller befolgte den Rat und begann, seine Ernährung umzustellen und alkalische Ergänzungsmittel einzunehmen. Zu seiner Überraschung und Erleichterung hörten die Blutungen kurz darauf auf. Er konnte es kaum glauben. Nach Wochen des Leidens und zahlreicher Krankenhausaufenthalte war das Problem, das sein Leben überschattet hatte, endlich gelöst.
Dieser Fall von Herrn Müller ist nur ein kleiner Beispiel für die Erfolge, die durch die Anwendung der Säure-Basen-Medizin erzielt werden können. Solche Geschichten und weitere Erkenntnisse teilen wir auf unserer Webseite mit unseren Lesern und Kunden, um ihnen zu zeigen, wie wertvoll dieses Wissen in der medizinischen Praxis sein kann.
Säurebasenbiochemie ist faszinierend unter anderem auch deshalb, weil unterschiedlichste Physiologien interdisziplinär hier vereint werden. Dabei nimmt die angewandte Biochemie für den Säurebasenhaushalt eine Schlüsselposition ein. Dank Schnittstellen mit dem Redoxsystem liefert die Venöse Bluttitration nicht nur Hinweise auf allfällige Basenmangel wie auch -überschuss, sondern auch bezüglich der Sauerstoffverwertung und dem oxidativen Stress.
Dank dem Verständnis der SB-Medizin können neben den quantitativen biochemischen Aspekte auch qualitative hinzukommen, welche erstaunliche Gesetzmässigkeiten hervorbringen. Diese habe ich als Säure-Effekte und Basen-Effekte zusammengefasst. Details dazu finden Sie im Lehrgang Teil 4. Um das Wichtigste vorwegzunehmen, der Säureeffekt führt zu mehr Aktivität aber in Extremis zu Apoptose, der Baseneffekt zu Zellteilung, Regeneration aber im Extremis zu maligne Entartung.
Der lokale pH beeinflusst den Stoffwechsel schlechthin. Er reguliert die Bioverfügbarkeit von Sauerstoff, Durchlässigkeit von Zellmembranen, Elektrolyten- & Molekülverteilung (cellular trapping), Wasser-/Fettlöslichkeit, Struktur von Bindegewebe, Wasserbindungsfähigkeit der extrazellulären Matrixproteine sowie Struktur und Funktion von Proteinen. Damit wird auch Enzymaktivität mitgesteuert! Bei vielen Stoffwechselreaktionen werden Protonen übertragen, wobei die Tendenz besteht, das Milieu anzusäuern. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, vor allem im Alter. Der Körper wird basischer. Ohne Gegenmassnahmen würde sich das Leben allmählich selbständig vernichten.
Definitionsgemäss geht nach der Dissoziation aus einer Säure die konjugierte Base hervor. Diese Definition ist jedoch nur im Chemielabor zutreffend und nicht in einem pH Konstanten Milieu wie wir es in lebendige Zellen antreffen. In pH konstanten Systemen stiftet die SäureBasen-Definition eher Verwirrung als Klärung. Je nach Säurestärke wird sich eine Säure auch nach der Abgabe seines Protons weiterhin sauer verhalten, weil sie in dem pH-Milieu, in dem das Proton abgegeben wurde, konsequenterweise nicht in der Lage sein wird, dieses Proton wieder aufzunehmen.
Diese Überlegung leitet zu einer differenzierten Betrachtungsweise, bei der die landläufige chemische von einer neuen funktionellen Definition abgegrenzt werden muss.
Laktat, die Base der Milchsäure, ist ein gutes Beispiel. Bei einem Blut-pH von 7.4 wird sie als "Base" immer noch als Säure funktionieren, denn in diesem pH-Wert wird das Molekül keinen Proton aufnehmen können. Das Laktat verdrängt zudem die Konzentration von weniger sauren Molekülen wie das Bicarbonat, was ansäuernd wirkt.
Laktat anderseits wirkt tatsächlich "basisch", wenn sie in der Labor verstoffwechselt und dabei zu Glucose umgewandelt wird.
Auch hier ist die Bezeichnung des Bicarbonats als Base der Kohlensäure ein weiterer Stolperstein im Verständnis des SB-Haushaltes. Tatsächlich ist das Bicarbonat funktionell die Säure und das begleitende Natrium die eigentliche Base.
In Analogie dazu sind gewisse negativ geladene Ionen sauer, wie z.B. Chlor. Durch das Kombinieren von sauer und basisch wirkenden Elementen werden sie neutral: Natrium als extrem starke Base (Natronlauge) zusammen mit Chlor als äusserst heftige Säure (Salzsäure) ergeben gemeinsam das Kochsalz welches in Lösung nicht neutral ist sondern sauer(!) da das Chlor saurer ist als das Natrium basisch.
Immer wieder bekommen wir zu hören, wie unser Blut-pH peinlich genau eingestellt werden müsse. Dieser Fehleinschätzung verdanken wir Haselbalch mit seiner mathematischen Logarithmisierung der H3O+ Konzentration. Logarithmen eigenen sich hervorragend, riesige Zahlenbereiche zu komprimieren. Auf diese Weise erhalten wir aber auch ein verzerrtes Bild der Normbereiche.
Die Regulation des pH Wertes erfolgt mit Hilfe von Puffersystemen, die sich aus verschiedensten basischen Substanzen mit ihren konjugierten Säuren zusammensetzen. Es sind dies vor allem Phosphate, Eiweisse und der Blutfarbstoff Hämoglobin. Das Bicarbonat kann mit seinem pKs von 6.1 bei einem pH von 7.45 kaum als Puffer wirken und schützt uns damit vielmehr gegen eine Alkalose als vor einer Azidose. Bicarbonat wirkt deshalb nicht als eigentlicher Puffer sondern seine Aufgabe liegt vielmehr im auswärts gerichteten Transport des Kohlendioxyds
Der pH-Wert ist nicht nur ein biochemischer Parameter, sondern ein grundlegendes Steuerungselement des Lebens. Die Grafik veranschaulicht eindrücklich, dass biologische Prozesse entlang eines kontinuierlichen pH-Spektrums ablaufen – mit klaren physiologischen Gesetzmässigkeiten von der Embryonalentwicklung bis zur Zellzerstörung.
Im stark basischen Bereich um pH 8.5 finden sich die Bedingungen für das früheste und fundamentalste biologische Wachstum: die fetale Entwicklung. Der sich entwickelnde Fötus benötigt ein hochalkalisches Milieu, das anabole Prozesse wie Zellproliferation, Differenzierung und Gewebeaufbau optimal unterstützt. Dieses Niveau übertrifft sogar die alkalischen Milieubedingungen, die von Tumorzellen bevorzugt werden – was die einfache Gleichsetzung „basisch = gesund“ kritisch relativiert.
Im Bereich von pH 7.45 bis 7.5 herrschen ideale Bedingungen für Geweberegeneration, Heilung und Reparaturprozesse. Therapeutisch wird dieses Milieu häufig angestrebt – etwa in der Wundbehandlung, in der regenerativen Medizin oder im Rahmen komplementärmedizinischer Pufferstrategien.
Das metabolische Aktivitätsoptimum liegt im Bereich um pH 7.35. Hier entfalten viele enzymatische und zelluläre Systeme ihre maximale Effizienz. Dieser Wert markiert den funktionellen Standard im gesunden adulten Organismus und steht für eine stabile Homöostase.
Sinkt der pH-Wert weiter, treten zunehmend immunologische Prozesse in den Vordergrund – typischerweise bei pH 7.2 bis 7.3. In diesem leicht sauren Bereich werden Entzündungen, zelluläre Stressantworten und Immunreaktionen aktiviert. Noch saurer wird das Milieu bei pH 7.0, wo Apoptose, also programmierter Zelltod, dominiert. Dieser Übergang zum katabolen Milieu zeigt sich in chronischen Erkrankungen, entzündlichen Schüben oder Ischämieprozessen.
Ein bemerkenswerter pH-Wechsel findet bei der Geburt statt: Der Fötus, bisher in einem stark basischen Milieu geschützt, erlebt beim Übergang ins extrauterine Leben eine physiologische metabolische Azidose – ein kontrollierter Schockzustand, der Ausdruck der plötzlichen Umstellung der Atmung, der Energieversorgung und des Kreislaufsystems ist. Dank der metabolischen Azidose kommt es überhaupt zum "ersten Schrei"!
Diese Prozesse lassen sich über eine zentrale biochemische Regel zusammenfassen:
Basisch = anabol (aufbauend), sauer = katabol (abbauend).
Das pH-Milieu ist somit ein Spiegel der biologischen Ausrichtung – ob Wachstum, Stabilität, Abwehr oder Zerfall. In der medizinischen Diagnostik und Therapie ist das Verständnis dieses pH-Kontinuums essenziell: für die Beurteilung von Krankheitsprozessen ebenso wie für präventive und regenerative Strategien.
Der menschliche Lebenszyklus lässt sich nicht nur biologisch oder hormonell beschreiben, sondern auch biochemisch – über den Verlauf des systemischen pH-Werts. Eine tiefere Betrachtung des Milieus im Verlauf des Lebens zeigt ein faszinierendes pH-Muster, das eng mit Zellfunktion, mitochondrialer Aktivität und Vitalität verknüpft ist.
Am Beginn des Lebens, während der Embryogenese und fetalen Entwicklung, herrscht ein ausgesprochen basisches Milieu – etwa bei pH 8.5. Diese hohe Alkalinität ist Voraussetzung für intensive anabole Prozesse: Zellteilung, Gewebedifferenzierung und Wachstumsdynamik. Es handelt sich um eine Zeit maximaler biosynthetischer Aktivität, die ein stabiles, sauerstoffarmes, aber basisches Umfeld verlangt.
Nach der Geburt sinkt der pH-Wert deutlich. Diese Phase ist gekennzeichnet durch die zunehmende langsame Ansäuerung des Neugeborenen, die als Anpassung an das extrauterine Leben gilt. In der Folge stellt sich einen basischen physiologischer Bereich ein: Der leicht saure Bereich um pH 7.35 bis 7.4 markiert das metabolische Optimum des Erwachsenen. In diesem Milieu funktionieren Mitochondrien am effizientesten, Enzyme entfalten ihre höchste Aktivität, und der Organismus befindet sich in einem Zustand erhöhter Leistungsfähigkeit, Differenzierung und Resilienz. Dies ist die aktive Lebensphase, geprägt durch körperliche und geistige Produktivität.
Mit zunehmendem Alter zeigt sich ein erneuter Anstieg des systemischen pH-Werts. Der Körper wird – auf zellulärer Ebene – wieder basischer. Diese Verschiebung ist Ausdruck eines nachlassenden Stoffwechsels, einer reduzierten mitochondrialen Funktion und einer zunehmenden anabolen Grundtendenz.
Der Kreis schliesst sich mit dem Eintritt in das Endstadium des Lebens, in dem – ähnlich wie am Anfang – ein basisches Milieu überwiegt. Nur handelt es sich jetzt nicht mehr um ein anaboles, wachstumsförderndes Setting, sondern um ein dekompensiertes, energiearmes und ausgetrocknetes Milieu, das letztlich in den biologischen Tod mündet.
Dieses pH-Modell des Lebens lässt sich in einer Formel zusammenfassen:
Das Leben beginnt und endet im Basischen – die Vitalität liegt im leicht Sauren.
Die Implikationen für die Medizin sind weitreichend: Ein bewusstes Verständnis des pH-Verlaufs kann helfen, Störungen der zellulären Regulation frühzeitig zu erkennen, mitochondriale Dysfunktion zu identifizieren und gezielt präventive und therapeutische Massnahmen zu setzen – sei es über Ernährung, Milieutherapie oder Infusionsstrategien.
Es hat sich herausgestellt, dass die wichtigsten Informationen auch zum mitochondrialen Stoffwechsel sowohl aus der Venösen Bluttitration wie auch aus der venösen Blutgasanalyse herzuleiten ist. Eine ausserordentlich wichtige Aussage in Zeiten in der wir allmählich die grosse Bedeutung der mitochondrialen Gesundheit erkennen. Dies reicht von der Leistungsfähigkeit bis hin zur Krebsprävention.
Wir verwenden das epoc® Blood Analysis System der Firma Siemens Healthinieers welches Testergebnisse innerhalb von rund 35 Sekunden liefert in Laborqualität.
Das epoc Blood Analysis System ist ein tragbares Blutanalytik-System für eine umfassende, patientennahe Blutanalytik auf einer einzigen Karte, die auch bei Raumtemperatur stabil bleibt.
Blut (rot) und Plasma (blau) werden mit Salzsäure titriert. Die Linien schneiden allmählich einen vordefinierten X-Achse bei pH 6.1 (Säurestärke des Bicarbonats).
Die Position des blauen Schnittpunktes ist ein Mass für das Bicarbonat (PP - PlasmaPuffer), der Abstand der Schnittpunkte Rot / Blau ein Mass für die Sauerstoffabgabe (IEP - IntraErythrozytärPuffer). Daraus lässt sich die Aktivität des mitochondrialen Stoffwechsels herleiten. Dies ermöglicht uns erstmals einen Einblick in die Sauerstoffverwertung der Zelle.
Der IEP wird mittels Hämatokrit standardisiert: IEP100%
Der klarer Vorteil dieser Methode ist die direkte Bestimmung der Säuren und Basen. Bei den Blutgasen werden nur die flüchtigen Säuren gemessen, und die gelösten nicht erfasst. Jedoch geht man davon aus, dass die Gase in direktem Zusammenhang stehen mit den andere Säuren. Dass die Aussagen gut übereinstimmen kann aus tausenden von Messungen bestätigt werden.